Weinland

Schützenverein ohne Stand?

Im Dezember 2022 kündigte die Gemeinde den Pistolenschützen unangekündigt den bald 60-jährigen Mietvertrag für ihren Schiessstand. Vor rund einer Woche einigten sich die Parteien auf einen Kompromiss.

von Tizian Schöni
26. Mai 2023

Der Vereinspräsident sagt: «Die Anwältin der Gemeinde hat mit Dreck geworfen.» Der Gemeinderat antwortet: «Die haben mit uns gespielt.» Im Dezember kündigte die Gemeinde Berg am Irchel dem Pistolenschiessverein den Mietvertrag für ihren Schiessstand. Konkret: Für das Grundstück, auf dem die Schützen seit den 60er-Jahren regelmässig üben und Wettkämpfe austragen. Betroffen davon ist auch das Haus, das die Vereinsmitglieder damals in Fronarbeit erstellt hatten. Und der Kugelfang, der noch im vergangenen Jahr mit Eigenmitteln und Spenden ersetzt wurde. Und das von einer Gemeinde, die sich in die Legislaturziele schreibt, sie wolle «Das Vereinsleben fördern und zum Erhalt animieren»?

Doch so einfach ist die Geschichte nicht. Der Kündigung voran geht, neben vielen kleineren und grösseren Eklats, Missverständnissen und Irritationen, vor allem eines: die schleichende Entfremdung einer Gemeinde von einem ihrer Vereine – und umgekehrt.

Früher war es einfacher
Der Pistolenschiessverein Berg am Irchel wurde im Januar 1962 gegründet. Im Gründungsprotokoll ist von «zwölf von Unternehmergeist beherrschten Bergemern» die Rede. Man holte die Bewilligung vom Kanton ein, die Gemeinde stellte das Grundstück im Irchelwald zur Verfügung. Als Stifterin des Schützenstands trat Veronika von Stockar auf, die damals das Schloss Berg bewohnte. Einzige Bedingung: Für sie, die Tochter eines leidenschaftlichen Jägers, musste ein Tontaubenstand miteingerichtet werden.

Gesagt, getan. Erster Vereinspräsident wurde damals Heinrich Peter, der gleichzeitig als Gemeindeschreiber amtete. Wie Verein und Gemeinde heute übereinstimmend berichten, setzte dieser den Mietvertrag auf und unterzeichnete ihn auch gleich für den Verein. «Früher hat man da nicht so eine Sache draus gemacht», wie es ein Gründungsmitglied gegenüber der «Andelfinger Zeitung» salopp formulierte.

Eine freundschaftliche Beziehung
Aber «eine Sache draus machen», das war damals auch gar nicht nötig. Vieles wurde mündlich abgesprochen, man war sich einig: So wurde 1977 anlässlich eines Feldschiessens ein Unterstand auf das Gelände gebaut. Die Gemeinde und auch andere Bergemer Vereine und Institutionen nutzten diesen daraufhin regelmässig. Das alles jahrzehntelang in gutem Einvernehmen mit dem Verein.

In den 90er-Jahren fragte die Gemeinde den Verein an, ob man nicht Strom von seiner Leitung für das nahe gelegene Reservoir beziehen könne. Für beide Seiten kein Problem.

Die symbolische Miete für die Anlage von 20 Franken, die im Vertrag vereinbart war, wurde vom Verein irgendwann nicht mehr bezahlt. Man übernehme dafür die Stromkosten aus dem Reservoir der Gemeinde, wie es in einem Protokoll­auszug des Vereins festgehalten ist.

Heute berichten die Beteiligten von vielen weiteren solchen Abmachungen und lange gelebten Gewohnheiten. Aber über die mehr als 60 Jahre, in denen das Schützenhäuschen nun schon im Irchelwald steht, verstarben viele Gründungsmitglieder des Vereins, andere traten aus oder zogen weg. Der Vereinsvorstand erlebte Veränderungen, und die Gemeinderäte sind heute nicht mehr diejenigen, mit denen Abmachungen getroffen worden waren. Langsam, aber sicher, so kristallisiert es sich im Gespräch mit den Beteiligten heraus, verstand keiner mehr den anderen. Einer sprach von einer Abmachung, die man doch damals klipp und klar getroffen habe. Ein anderer konnte sich partout nicht daran erinnern. Oder war von seinem Amtsvorgänger schlicht nicht informiert worden.

Miteinander reden
Es sei oft falsch kommuniziert worden, sagt Thomas Fehr, der heute zuständige Gemeinderat. «Auf beiden Seiten», ergänzt Vereinspräsident Simon Bucher. Diese falsche oder vielleicht auch die Nicht-Kommunikation gipfelte schliesslich Ende 2022 in der Kündigung des Mietvertrags vonseiten der Gemeinde.

Darauf verhärteten sich die Fronten weiter. Der Pistolenschiessverein ging anwaltlich gegen die Kündigung vor, und auch die Gemeinde setzte auf Rechtsbeistand. Der Gang vor die Schlichtungsstelle im März dieses Jahres führte zu einem Urteilsvorschlag, den die Gemeinde ablehnte. Provisorisch, wie sie dem Verein mitteilte, man wolle aber weiter miteinander im Gespräch bleiben. Dieses fand nun kürzlich einen Abschluss: Am Dienstag vergangener Woche einigten sich die Parteien in einem Vergleich.

Der Kompromiss
Genau wie beim 300-Meter-Stand der Irchelschützen gibt es seit dem 16. Mai eine Nutzungsvereinbarung zwischen Gemeinde und Pistolenschiessverein. Für den kürzlich angeschafften Kugelfang und weitere Unkosten, etwa den Stromverbrauch eines im Reservoir platzierten Entfeuchters, der am Zähler des Schützenhauses hing, zahlt die Gemeinde eine einmalige Entschädigung von 30'000 Franken. Ganz zufrieden sind beide Parteien damit nicht. Doch um ein Ende der Streitigkeiten bemüht, unterschrieben beide die Nutzungsvereinbarung.

Alleine 20'000 Franken, so der Vereinspräsident, habe allerdings schon der Kugelfang gekostet. Das Gebäude sei mit der vorliegenden Entschädigung noch überhaupt nicht abgegolten. Die Gemeinde argumentiert jedoch mit einer Zeile aus dem Mietvertrag: Dort wird einleitend klar erwähnt, dass die Gemeinde auch als Vermieterin der Schiessanlage auftritt. Damit gehöre das erstellte Schützenhaus ihr. Einer, der sich mit vergleichbaren Fällen auskennt, bestätigt gegenüber der «Andelfinger Zeitung»: «Die festgeschriebene Aufteilung anzufechten, wird schwierig.»

Von Vereinspräsident Simon Bucher ausserdem bemängelt wird, dass nicht der gesamte Verein über Annahme oder Ablehnung des Verhandlungsresultats habe abstimmen können – für eine ausserordentliche GV sei die Frist zu knapp gewesen.

Mit der Nutzungsvereinbarung werden vorherige Verträge und Abmachungen ungültig – und damit alte Zöpfe abgeschnitten. Am Ende scheint nun eine Lösung zu stehen, die für beide Parteien funktioniert. Und eigentlich müsste es auch beide freuen: Die 25 Schützinnen und Schützen können weiterhin in Berg am Irchel schiessen. Und die Gemeinde trägt zum Erhalt eines traditionsreichen Vereins bei.

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite