Weinland

«Sensationell» – der Kiebitz ist zurück

Die Freude ist gross. Im aufgewerteten Naturschutzgebiet Oerlingerried hat ein Kiebitzpaar erfolgreich gebrütet. Dank spricht die Fachstelle Naturschutz auch der Bevölkerung aus.

von Roland Spalinger
28. Juli 2023

Hans-Caspar Ryser hat schon ein paar Mal Kiebitze beobachtet, die auf ihrem Zug im Oerlingerried Halt machten. Diesen Frühling aber besonders gern. «Nach mehr als 30 Jahren hat der Kiebitz hier zum ersten Mal wieder gebrütet», so der Mar­tha­ler Naturschützer. Mit ein Auslöser für den Erfolg ist der bauliche Eingriff von 2021.

Das Oerlingerried ist ein Flachmoor von nationaler Bedeutung. 2021 hat die Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich westlich des bestehenden Naturschutzgebiets 2,75 Hektaren ökologisch aufgewertet: Drainagen wurden verschlossen und die Fläche anschliessend mit Saatgut von typischen Moorarten neu begrünt (AZ vom 2.2.2021). Zudem entstanden zwei grosse, flache Tümpel, in denen sich Wasser sammelt und der Pegel variiert, was für Stelzvögel wie den Kiebitz wichtig ist.

Neuen Lebensraum angenommen
Erfreulicherweise zeigten die getroffenen Massnahmen bereits Wirkung, schreibt die Fachstelle. Seltene Pflanzen wie der Gift-Hahnenfuss hätten sich angesiedelt, und die Zahl der Laubfrösche nehme stark zu. Anfang Mai wurden ausserdem drei Kiebitze – zwei Männchen und ein Weibchen – regelmässig im Oerlingerried beobachtet.

Die Männchen zeigten akrobatische Balzflüge, eines drehte bald Nistmulden in den angrenzenden Acker, und das Weibchen legte vier Eier in eine der Mulden. Mitte Juni rannten die flaumigen Kiebitzküken um die Tümpel und pickten im feuchten Schlick nach Futter. Mitte Juli wurden drei flügge.

Wichtiger Schutz der Brut
Dass ein Kiebitzpaar so rasch auf die neuen Bedingungen im Oerlingerried reagiert habe, sei «sensationell», schreibt die Fachstelle und teilt den Erfolg. Nebst den ökologischen Aufwertungsmassnahmen erwähnt sie die Zusammenarbeit mit dem lokalen Naturschutzverein, den Bewirtschaftern sowie der örtlichen Jagdgesellschaft: Ein Elektrozaun schützte den brütenden Kiebitz vor allem vor dem Fuchs, und der Landwirt verzichtete auf die intensive Bewirtschaftung seiner Ackerfläche.

Nach dem Schlüpfen der Küken wurde beim Weg ein Band gezogen und eine Infotafel angebracht, um die Vögel vor zusätzlichen Störungen durch Spaziergängerinnen und Spaziergänger zu schützen. «Indem die Bevölkerung die Wegsperrung respektierte, hat sie zum Erfolg der Kiebitz-Brut beigetragen.»

Gekommen, um zu bleiben?
Der stark gefährdete Kiebitz ist ein auffälliger Bewohner offener Landschaften. Er brüte im Acker, sagt Hans-Caspar Ryser. In Oerlingen nutzte der Stelzvogel nicht direkt das Ried, sondern die Wiese daneben. Ob der Kiebitz nun Dauergast wird, stehe in den Sternen, sagt er. Die Chance sei aber da, dass der anspruchsvolle Stelzvogel wiederkomme.

Auch für Hans-Caspar Ryser haben sich die Massnahmen in Oerlingen sehr gut angelassen, auch für Amphibienarten wie die Gelbbauchunken. Aus ornithologischer Sicht sei das Comeback der Stelzvölgel der Höhepunkt, und der Bruterfolg des Kiebitz schwinge obenaus.

Mit seiner Silhouette mit der kecken, langen Federtolle, dem violetten Glanz der dunklen Gefiederpartien und seiner Stimme ist er unverkennbar. Wurden Ende der 1980er-Jahre im Kanton noch 110 Brutpaare gezählt, brach der Bestand in der Folge auf 14 bis 35 Brutpaare ein. Ab 2025 ist im Oerlingerried eine zweite Aufwertungsetappe nordwestlich angrenzend geplant.

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