Weinland

Signer-Werk erneut angegriffen und vorübergehend parkiert

Nach einer erneuten und laut der Initiantin heftigen Provokation ist die Installation von Roman Signer im Schlosstobel vorübergehend demontiert worden. Bereits vorher kam das Plagiat weg.

von Roland Spalinger
04. Juni 2021

Die «hitzigste Debatte» in den vergangenen 30 Jahren um ein St. Galler Kunstwerk betraf laut «St. Galler Tagblatt» vom Juli 2018 eine Installation von Roman Signer. «Wasserturm» heisst sie und war 1987 eine Schenkung des Gewerbeverbands St. Gallen zu dessen 150-Jahr-Jubiläum.

Andelfingens Kunstskandal datiert von jetzt, involviert sind der gleiche Künstler und ebenfalls ein 150-Jahr-Jubiläum. Die wegen der Kosten von 40'000 Franken umstrittene Installation «Handschuh» von Roman Signer im Tobel des Schlosses wird hauptsächlich aus dem Jubiläumsfonds der Zürcher Kantonalbank ZKB bezahlt, den die Bank anteilsmässig den Gemeinden geschenkt hatte, und aus Spenden. Steuergelder sind keine geflossen.

Die Auseinandersetzung mit dem Werk fand auch in der «Andelfinger Zeitung» statt, jüngst durch einen Beitrag von Ernst Härtner («AZ» vom 28.5.2021, eine Reaktion dazu unten), aber auch vor Ort selber, im Tobel des Schlossparks. Ein paar Meter oberhalb des «Handschuhs» wurde ein Nachbau angebracht. Dass beide Installationen mit Preisschildern versehen wurden, kann als Gegenüberstellung interpretiert werden.

«Grenze überschritten»
Das Plagiat ist wieder weg – wie nun auch das Original selber. Diesem fehlte eine Zeit lang der Handschuh, der weggespült oder weggenommen worden war. «Wegen Materialprüfung kurzfristig im Service» war dann auf einer Glasscheibe zu lesen, die am Aluminiumgestell des Werks festgemacht war. Dar­un­ter wurde dann «Ich bin auch ein Rheinfall» mit durchgestrichenem h geklebt.

Als «heftig» bezeichnet Initiantin Katharina Büchi Fritschi aber weder dies noch den Stiefel, der statt des Handschuhs im Bach wogte. In einer Mitteilung im Namen des Gemeindepräsidenten und der Initianten schreibt sie, dass Roman Signer am Montag vor Ort war, sein Werk vervollständigen wollte und sich «bestürzt zeigte» ob der neuen Provokation. Unter diesen Umständen «ist er nicht bereit, so weiterzumachen». Das Werk werde erst wieder «definitiv installiert», wenn «die Emotionen sich etwas beruhigt haben».

Mit der erneuten Tat sei «eine Grenze überschritten» worden, bei der «die Integrität des Künstlers nicht gewahrt» worden sei, sagt sie auf Anfrage. Eine solche Intervention in die Arbeit von Roman Signer könne «unter keinen Umständen toleriert werden». Auch habe das Gelände gelitten, weshalb die am 12. Juni vorgesehene Vernissage abgesagt und das Werk eingestellt ist.

Nicht einknicken
Ist nun das Projekt gescheitert? «Es wäre ein ganz schlechtes Zeichen, sich durch eine hinterhältige und gemeine Aktion in die Knie zwingen zu lassen», sagt sie. Man soll über Kunst diskutieren, «aber nicht auf diese Art». Es sei auch eine Frage, wie man mit anderen umgehe.

Ihr ge­gen­über werde grosses Unverständnis geäussert über die Art der Reaktion, und ihr sei gedankt worden, dass sie sich für diese Werte einsetze. Das Werk werde wieder kommen, verspricht sie. Es sei umso wichtiger, dass in Kunst und somit in Bildung investiert werde, die verschiedene Facetten zeigten, so Katharina Büchi Fritschi.

Die heftige Reaktion sei überraschend, auch für Roman Signer, dessen Frühwerke polarisiert hätten. 1987 in St. Gallen gab es sogar eine – erfolglose – Petition zur Entfernung des «Fasses des Antsosses». In Leserbriefen wurde es als abstrakte Persiflage auf den Manneken Pis («pissendes Männlein») bezeichnet.

In Andelfingen sind das Werk, die Tafel, die auf den Erschaffer hinweist sowie der Wegweiser am Geländer ins Tobel vorübergehend parkiert. Geld geflossen zum Künstler sei noch keines, sagt die Initiantin. Über die Zahlung zu reden, stehe zurzeit nicht an.

Roman Signers «Windfahne» an der Biennale Weiertal.
Roman Signers «Windfahne» an der Biennale Weiertal. / zvg

Die «Windfahne» im Weihertal

«Als Mitinitiant des Projekts von Roman Signer im Schlosspark Andelfingen muss hier doch eine freundliche Einwendung gemacht werden. Der Vorwurf, Roman Signer könne irgendwo irgendetwas aufstellen, bewegen oder in die Luft schiessen, wird dem Künstler nicht gerecht – ist fast schon beleidigend. Roman Signer vertrat bereits 1999 die Schweiz an der 48. Biennale in Venedig – einem der wichtigsten Kunstereignisse der Welt. Er wird weltweit angefragt, seine Arbeiten, Videos, Installationen und Performances zu zeigen. Und gerade eben hat er eine ebenso schöne und poetische Installation in der Sommerausstellung im Weiertal bei Winterthur-Wülfingen realisiert.

Vielleicht müssten sich die kritischen und ablehnenden Betrachter der zeitgenössischen Skulptur im Schlosspark auch einen Besuch in den aktuellen Ausstellungen im Kunstmuseum Winterthur und im Kunsthaus Aarau zu Gemüte führen ... und wenn dann dort nicht doch manchmal ein Lächeln über ihr Gesicht huschen würde, hätten sie wirklich die Poesie und Spielfreude vieler Werke nicht erfasst.»

Christian Zingg, Küsnacht, Kunsthistoriker, ehem. Kurator der Julius-Bär-Kunstsammlung, Mitinitiant des Signer Projekts

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