Laufen-Uhwiesen: Ein Mitarbeiter des Besucherzentrums Schloss Laufen am Rheinfall zweigte für seinen Chef jahrelang Geld aus der Kasse ab. Letzterem steht nun ein Gerichtsverfahren bevor.
Die Storno-Buchung ist bei vielen Kassensystemen standardmässig passwortgeschützt. Steuerbehörden wissen, weshalb: Das Ausbuchen von Einnahmen ist eine einfache Möglichkeit, ehrlich verdientes Geld aus der Kasse abzuzweigen.
Diese Funktion machte sich ein Mitarbeiter des Besucherzentrums Schloss Laufen am Rheinfall zunutze. Oder genauer gesagt: sein Chef. Denn der wies seinen Untergebenen an, ebendiese Stornierungsbuchungen auf verkaufte Tickets zu erstellen. Den entsprechenden Gegenwert sollte der Mitarbeiter anschliessend in bar aus der Kasse nehmen und seinem Vorgesetzten überreichen.
Dieser gab an, das Geld für «Marketing» zu verwenden. Und er versicherte dem Mitarbeiter, dass er dafür die Verantwortung übernehme. Dies geht aus einem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland hervor, der auf den Mitarbeiter ausgestellt wurde und mittlerweile rechtskräftig ist. Beides war eine Lüge: Der Vorgesetzte verwendete dieses Geld selbstverständlich nicht für betriebliche Zwecke, und die Verantwortung für die mehrfache Gehilfenschaft zur Veruntreuung lag natürlich genauso beim Mitarbeiter.
340'000 Franken veruntreut
Zwischen April 2017 und Dezember 2020 zweigten die beiden so ungefähr 340'000 Franken aus der Kasse ab, schreiben die Beamten weiter. Vornehmlich «an Tagen mit hohem Besucheraufkommen» seien Stornierungen vorgenommen worden, teilweise im Gesamtwert von 500 bis 1000 Franken. Man stelle sich vor: Ein Ticket kostet fünf Franken. Es müssten also an einem einzigen Tag 100 bis 500 Personen auf eine Rückerstattung gepocht haben. Um bis zu 20 Prozent der Tageseinnahmen habe es sich laut Strafbefehl teilweise gehandelt.
Nebst den Stornierungsbelegen musste der Mitarbeiter auch die Tagesabrechnungen unterzeichnen und an die Buchhaltung weiterleiten. Auf die Anfrage, ob derartige Stornierungssummen anderen Mitarbeitenden nicht früher aufgefallen seien, antwortete die Betreiberin des Zentrums, die SV Group, nicht. Zu laufenden Verfahren werde grundsätzlich keine Stellung genommen. Die Gruppe erhielt im Jahr 2020 den Zuschlag zum Betrieb des Besucherzentrums bis mindestens 2036.
Gerichtsverhandlung ausstehend
Fest steht: Beide Angestellten arbeiten mittlerweile nicht mehr für die SV Group. Für seine Komplizenschaft schlug die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland dem Mitarbeiter eine Busse von 1000 Franken vor, ausserdem muss er die Verfahrenskosten von 2000 Franken tragen. Eine Geldstrafe über 70 Tagessätze zu 100 Franken wurde zugunsten einer zweijährigen Probezeit aufgeschoben. Der Beschuldigte hat die Strafe akzeptiert, der Strafbefehl ist somit rechtskräftig.
Seinem Chef, dem Drahtzieher und Profiteur der mehrfachen Veruntreuung und Urkundenfälschung, droht ein höheres Strafmass. Einen Termin für die Verhandlung am Bezirksgericht Andelfingen gibt es noch nicht. (tz)
Etwa 1,7 Meter lang, 1,1 Meter breit und knapp 1 Meter hoch – so winzig war der Käfig in einem Weinländer Haus, in dem zwei ausländische Frauen monatelang jeden Tag und jede Nacht während mehreren Stunden eingesperrt waren. Die Wände dieser Zelle waren fensterlos und bestanden aus Beton und Holz, die Tür war ein Gitter aus Metallstäben. Einzige Ausstattung: eine Matratze, eine Lampe und ein Topf für dringende Bedürfnisse. Eine richtige Toilette gab es nicht.
Für diesen Horror verantwortlich sind ein heute 46-jähriger IT-Manager und seine 32-jährige Frau. Laut Anklageschrift hielten sie die beiden Opfer –eine zum Tatzeitpunkt erst 22-jährige Philippinerin und eine damals 30-jährige Brasilianerin – als persönliche Haussklavinnen, die tagsüber Uniform und nachts weisse Unterwäsche tragen sowie nach einem strikten Arbeitsplan diverse Hausarbeiten verrichten mussten.
Das Haus verlassen durften sie nur mit Einverständnis ihrer Peiniger, ansonsten galt für sie eine 24/7-Bereitschaft. Internet- und Telefonzugang waren streng limitiert, persönliche Gegenstände wie Pass oder Handy mussten sie abgeben. Waren die Frauen nicht gerade mit Putzen, Waschen, Kochen oder dem Bewirten von Gästen beschäftigt, harrten sie zum Teil mit Fesseln an Händen, Füssen und Hals eingeschlossen im Käfig aus, wo sie rund um die Uhr mit einer Kamera überwacht wurden. Als Lohn erhielten sie 800 Franken im Monat.
Der IT-Manager habe sich damit unter anderem mehrfach des Menschenhandels und der Freiheitsberaubung schuldig gemacht, heisst es in der Anklage weiter. Seiner Frau, selbst eine Philippinerin, wird zumindest die Beihilfe zu den Taten vorgeworfen.
Missliche Lage ausgenutzt
Angeworben hatte der Beschuldigte seine Opfer zwischen 2017 und 2019 über eine Au-pair-Website, indem er unter falschem Namen zum Schein eine Nanny oder Putzkraft suchte. Gegenüber der Philippinerin, die bis dahin im Tessin als Au-pair beschäftigt war und dringend eine neue Arbeitsbewilligung benötigte, gab er sich als «Ramona» aus. Er sagte, er würde eine Bewilligung für sie besorgen und bot ihr per Whatsapp einen ersten Vertrag für fünf Jahre an. Darin war noch von 400 Franken Lohn die Rede, erwähnt wurden zudem die 24/7-Bereitschaft, der limitierte Internet- und Telefonzugang, die Kameraüberwachung und der Käfig beziehungsweise «Raum» ohne WC, in dem die Frau eingeschlossen werden sollte.
Die junge Asiatin lehnte ab, weil sich das Angebot für sie wie Prostitution anhörte, wie es in der Anklageschrift heisst. Ausserdem könne sie das Einsperren nicht akzeptieren. Doch der Beschuldigte liess nicht locker und nutzte seine Machtposition und die fehlende Arbeitsbewilligung der Frau aus, um sie doch noch zu überzeugen. In einem neuen Angebot verdoppelte er den Lohn und stellte ihr zudem eine Ausbildung im Homeschooling an der fiktiven «International Maids School» (IMS) für Hotelmanagement in Aussicht. In seiner Verzweiflung und dem Glauben, sich durch das abgelaufene Visum strafbar gemacht zu haben, willigte das Opfer ein. Der Beschuldigte holte die Frau im Sommer 2018 mit dem Auto im Tessin ab. Auf dem Weg ins Weinland hielt er auf dem Lukmanierpass an und forderte sie auf, den Arbeitsvertrag umgehend zu unterschreiben, was diese in ihrer misslichen Lage schliesslich tat.
Flucht nach über zehn Monaten
Fast elf Monate* blieb die Philippinerin im Dienst ihrer Peiniger. Nebst ihrer Arbeit musste sie für die vom Beschuldigten erfundene IMS-Ausbildung lernen. Die entsprechenden Unterlagen erstellte der Mann selbst. Zudem prüfte er die Frau regelmässig. Bei Fehlern oder Ungehorsam wurde sie nach einem Bonus-Malus-System bestraft, etwa durch das Fesseln der Hände hinter dem Rücken, dem Streichen von Freigängen oder der Reduktion des ohnehin schon minimalen Internet- und Telefonzugangs. Und das nur, um den BDSM-Fetisch des Beschuldigten zu befriedigen, wie die Staatsanwaltschaft schreibt. Die Abkürzung steht für «Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism» und bezeichnet eine Vorliebe für Dominanz und Unterwerfung, Bestrafung und Fesselspiele.
2019 gelang der Philippinerin die Flucht. Sie ging zur Polizei und erstattete Anzeige. Bis es zur Hausdurchsuchung kam, vergingen jedoch mehrere Monate. In der Zwischenzeit hatte der Beschuldigte die 30-jährige Brasilianerin in eine Abhängigkeit gelockt, ebenfalls durch Vortäuschen falscher Tatsachen. So bot er seinem neuen Opfer unter anderem «Deutschunterricht auf höchstem Niveau» an, auch hier im Homeschooling. Die übrigen Vertragsinhalte blieben gleich.
Anonym vor Razzia gewarnt
Weshalb es so lange dauerte, bis die Polizei reagierte, ist unklar. Ebenso fraglich ist, wieso und woher der Beschuldigte wenige Tage vor der Razzia einen anonymen Tipp erhielt, wie die Tamedia-Zeitungen schreiben. Nächste Woche Dienstag und Mittwoch muss sich das Ehepaar nun vor dem Bezirksgericht Andelfingen verantworten.
Der Prozess des Mannes findet im abgekürzten Verfahren statt. Er ist geständig und hat sich mit der Staatsanwaltschaft auf ein Strafmass geeinigt. Ihm soll eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten auferlegt werden, wovon er nach Abzug der bereits erfolgten Haft aber nur noch vier Monate absitzen muss. Hinzu kommen eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 220 Franken, eine ambulante Sexualtherapie und die Verfahrenskosten von rund 80 000 Franken. Seinen Opfern muss er gemäss Urteilsvorschlag knapp 6000 bis 10'000 Franken als Entschädigung zahlen.
Der Prozess seiner Frau wird hingegen im ordentlichen Verfahren durchgeführt. Ihr droht nebst Haft- und Geldstrafe auch ein mehrjähriger Landesverweis.
Die «Andelfinger Zeitung» wird der Verhandlung beiwohnen und darüber berichten.
*Ursprünglich hiess es in diesem Text, dem Opfer sei die Flucht nach 16 Monaten gelungen. Das ist falsch. Richtig ist, dass zwischen der Kontaktaufnahme durch den Beschuldigten und der Flucht des Opfers 16 Monate vergingen.
Sklavenhalter-Ehepaar vor Gericht