Der milde Geruch nach Tabak, der einem in die Nase steigt, kündigt die begonnene Ernte an. In den hohen Scheunen sind die Blätter bis unters Dach zum Trocknen aufgehängt. Die prächtigen Pflanzen auf dem Feld verfärben sich und bieten mit ihren Blüten einen schönen Anblick. Einer, der heute in der Region eher selten ist.
Ruben Keller vom Ribi-Hof pflanzt in Volken Burley-Tabak an. Für ihn sei es ein wichtiger Betriebszweig, erzählt er. Bereits sein Grossvater habe das Genussmittel am heutigen Standort angebaut. «Ich schätze die Tradition.» Das Fachwissen dazu hätten heute nicht mehr viele. Schweizweit gibt es nur noch 112 Produzierende, die rund 400 Hektaren bewirtschaften. Vier Betriebe liegen in Volken und in Flaach. Dass die Zahl jährlich sinkt, zeigt der Jahresbericht 2024 von Swiss Tabac. Ruben Keller ist Vizepräsident der Dachgenossenschaft der Tabakbauern der Schweiz und vermutet, dass die sich verändernden Betriebsstrukturen mit ein Grund für den Rückgang sind. Der Tabakanbau sei aufwendig. Für den erfolgreichen Anbau sei es erforderlich, als Betriebsleiterin oder Betriebsleiter während mehreren Monaten eine hohe Präsenz zu zeigen und aufgrund der vielen Handarbeit zusätzliches Personal zur Verfügung zu haben. Aber: «Die Wirtschaftlichkeit ist gegeben.»
Mit dem Tabak sei man das ganze Jahr beschäftigt, erklärt er. Kaum ist die letzte Ernte Ende Februar abgeliefert, treffen Anfang März schon die neuen Setzlinge ein. Geerntet wird dann von Juli bis September. Seit drei Jahren hat Ruben Keller dafür eine Maschine im Einsatz. Nun würden nicht mehr die einzelnen Blätter in mehreren Durchgängen von Hand geerntet, sondern gleich die ganze Pflanze in einem Stück abgeschnitten, erklärt er. Das spare Zeit, und die Arbeit sei besser in den Alltag auf dem Ribi-Hof zu integrieren. In der Schweiz werden zwei verschiedene Sorten angebaut. Der in unserer Region verbreitete Burley-Tabak wird in den meist sehr hohen Scheunen luftgetrocknet. Der erst 1992 eingeführte Virginia-Tabak hingegen in einem Ofen so gross wie ein Schiffscontainer.

Wirtschaftlich wichtig
Ein Fund aus dem Archiv zeigt, dass der Tabakanbau im Weinland 1950 einen hohen Stellenwert hatte. Im Kanton Zürich wurde die Pflanze damals im Flaachtal sowie in Rickenbach auf rund 40 Hektaren angebaut. In der «Andelfinger Zeitung» vom 3.10.1950 heisst es: «Die Einkünfte, die der Tabakanbau der einheimischen Landwirtschaft bringt, sind beträchtlich.» Im ganzen Bezirk Andelfingen wurden rund 44 Tonnen Trockentabak sowie 14 Tonnen Grüntabak geerntet, was einem Ertrag von knapp 190'000 Franken entsprach. Heute erinnern vielerorts nur noch die vielen hohen und schmalen Scheunen an diese wichtige Einnahmequelle von früher.
In der Schweizer Volkswirtschaft spielt die Tabakindustrie jedoch noch immer eine grosse Rolle. Laut der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels macht der Tabaksektor rund ein Prozent des schweizerischen Bruttoinlandprodukts aus. Etwa 40 Milliarden Zigaretten werden in den Fabriken jährlich hergestellt, wovon 75 Prozent exportiert werden. Mit 620 Million Franken Exporteinnahmen im Jahr 2014 sei der Tabakexport vergleichbar mit bekannten Exportgütern wie Käse (608 Millionen Franken) und Schokolade (796 Millionen Franken), heisst es in einem Bericht der Vereinigung.
Finanzierung durch Konsum
Finanziert wird der hiesige Anbau grösstenteils über die Konsumierenden selbst. Pro Zigarette gehen 0,3 Prozent in den Fonds zur Mitfinanzierung des Inlandtabaks – gleich viel wie in den Tabakpräventionsfonds. Auch die Hersteller von Tabakprodukten sind durch das Tabaksteuergesetz verpflichtet, in die beiden Fonds einzuzahlen. Weiter erhalten die Betriebe, wie bei allen anderen Landwirtschaftsprodukten, sogenannte Flächenbeiträge aus der Bundeskasse.
Ruben Keller beschäftigt sich auch mit den gesundheitlichen Aspekten des Genussmittels. Schliesslich baut sein Betrieb gleich zwei davon an: Neben dem Tabak konzentriert er sich hauptsächlich auf Trauben für Wein und Schaumwein. Für den Tabak müsse er sich hin und wieder rechtfertigen. Auch vor Kollegen. Trotzdem wolle er der Produktion treu bleiben. «Es wäre ein sehr grosser Verlust, wenn die Kultur in der Schweiz verschwinden würde.» Der Tabakanbau habe viele Vorteile: von der Vielfältigkeit im Ackerbau über die Biodiversität bis hin zum Nektarangebot für die heimischen Bienen. Bedenken über die Qualität des Schweizer Tabaks räumt er aus: «Für das hier herrschende Klima erreichen wir mit den beiden Sorten eine top Qualität.»
Auch Stephanie Peeters, Kommunikationsverantwortliche bei Japan Tobacco International (JTI), ist überzeugt von der Qualität des heimischen Tabaks. Am Firmensitz in Dagmersellen werden täglich 37 Millionen Zigaretten hergestellt und in über 22 Länder exportiert. JTI produziert seit 50 Jahren in der Schweiz. Auf Zigarettenschachteln von Marken wie Winston oder Camel ist das Label «Made in Switzerland» aufgedruckt. Dies beziehe sich allerdings auf die Verarbeitung. Der Selbstversorgungsgrad mit Tabak liege nur bei 8,09 Prozent, präzisiert Ruben Keller.
Mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten sowie der Schritt, der dem Produkt seine wesentlichen Eigenschaften verleiht, müssten in der Schweiz anfallen, erklärt Stephanie Peeters. Um den für jede Zigarettenmarke charakteristischen Geschmack zu erhalten, werde ein sogenannter Blend hergestellt. Dazu würden Virginia-, Burley- und Oriental-Tabak aus der ganzen Welt, zum Beispiel auch aus Malawi oder Indien, miteinander vermischt werden, erklärt Stephanie Peeters. Gut möglich also, dass auch am anderen Ende der Welt Schweizer Tabak geraucht wird.
Vom Feld in die Lunge