Von der Badi in die Höhle

Dachsen - Einem Hobby unter der Erde geht das Dachsemer Pächterpaar der Badi Bachdelle, Michelle Murri und Rick Odermatt, nach. In der grössten Höhle Europas leiten sie Höhlentouren und erklären, was sie daran so begeistert.

Jasmine Beetschen
Lesezeit: 4 min

Als neue Pächter sind Michelle Murri und Rick Odermatt ab diesem Sommer in der Badi Bachdelle mit Schürze, Pfannenwender und Burgerpresse ausgerüstet (AZ vom 23.12.2022). In ihrer Freizeit tauschen sie diese jedoch gegen Helm, Gummistiefel und Stirnlampe ein. Denn dann erkunden sie Höhlen wie zum Beispiel das Hölloch im Schwyzer Muotathal, die grösste Höhle Europas. Regelmässig sind die beiden im fast 210 Kilometer langen Höhlensystem unterwegs, das mit 1033 Metern Höhendifferenz zwischen dem tiefsten und dem höchsten Punkt einen Weltrekord hält.

Im Weinland gibt es bis auf ein paar Löcher und kleinere Einbuchtungen im Kohlfirst keine grösseren Höhlen. Wie kommt das Dachsemer Paar also darauf, sich in die «Unterwelt» zu begeben und Touren unter der Erdoberfläche durchzuführen? «Ich bin eigentlich durch Zufall dar­auf gestossen», erzählt Rick Odermatt. «Vor etwa drei Jahren suchte ich nach Aktivitäten, die man im Winter machen kann, wenn man, so wie ich, nicht gerade gerne auf Skipisten unterwegs ist.» Über einen Facebookbeitrag sei er dann auf das Höhlensystem des Höllochs gestossen. «Bisschen kraxeln, kriechen, entdecken – und einfach einmal dreckeln, das hat richtig Spass gemacht», erinnert er sich. Einmal ausprobiert, war er sofort angefixt.

Auch Michelle Murri ist schon einige Jahre in den Höhlen unterwegs. Ihr Vater übernahm 2021 das Unternehmen Trekking Team AG, das Touren im Hölloch organisiert. Die in Schwyz Aufgewachsene liess sich von dessen Begeisterung anstecken. «Das Hobby ist nicht nur spannend, sondern auch ein schöner Ausgleich zum Bürojob», erklärt sie. «Die Höhlen geben dir die Chance, den Alltag für ein paar Stunden oder gar Tage zu vergessen. Sie bringen dir, obwohl du meist in Gruppen unterwegs bist, eine gewisse Ruhe.» Man könne komplett abschalten – denn das Handy funktioniere unter der Erde sowieso nicht, fügt sie lachend hinzu. Diese Entschleunigung sei neben den spannenden Entdeckungen und den interessanten Begegnungen mit verschiedenen anderen Höhlengängern das Faszinierende an dem Hobby.

Als Team über sich hinauswachsen
Dass das Entdecken der Höhlen verbindet, spürt auch Rick Odermatt. Für ihn war dies einer der Hauptgründe, sich zum Höhlenführer ausbilden zu lassen. «Den Leuten die Schönheit der Höhlen näherzubringen und mit ihnen gemeinsam im Team etwas zu erarbeiten, macht mir richtig viel Freude», erzählt er. «Wenn sie am Schluss mit einem glücklichen Grinsen wieder aus der Höhle klettern und sich über das Erlebte austauschen, motiviert mich das immer wieder aufs Neue.» Für Michelle Murri gehören die Momente, in denen die einzelnen Teammitglieder über sich hinauswachsen und sich überwinden – und später sogar wiederkommen –, zu den Highlights des Freizeitsports.

Kein Ort der Klaustrophobie
Für eine Höhlentour im Hölloch, die von zwei Stunden bis hin zu drei Tagen dauern kann, brauche es keine speziellen Technikkenntnisse. «Man muss schon etwas fit sein, aber kein Hochleistungssportler», so Rick Odermatt.

Was vom Besuch einer Tour unter der Erde abhalte, seien oftmals gewisse Vorurteile oder Ängste, so Michelle Murri. Höhlen seien dunkel, eng und kein Ort für Menschen mit Platzangst oder Höhenangst. «Das muss aber nicht unbedingt so sein», sagt sie. «Ich bin ebenfalls nicht ganz schwindelfrei und war selbst überrascht, wie wenig Einfluss das aufs Höhlenklettern hat.» Im Hölloch im Muotathal, wo sie vor allem Touren machen, seien die Gänge meist gross genug, um sich frei bewegen zu können. «Wer Lift fahren kann, für den ist eine Höhlentour gut machbar. Und wegen der Höhenangst: Da unten siehst du nicht besonders weit, da fallen die Höhen gar nicht auf.»

In der Ausbildung zum Höhlenführer, zur Höhlenführerin an der Schweizerischen Schule für Höhlenbefahrungen (SSH) im Hölloch lernten Michelle Murri und Rick Odermatt die Grundlagen bezüglich Geologie, Hydrologie, Material sowie Rettungstechniken. Und lernten dabei auch einander kennen. Seither sind sie, sooft es geht, gemeinsam in den Höhlen unterwegs.

Interessierten empfiehlt sie, sich erst auf eine kürzere Tour zu wagen, um zu sehen, wie der Körper und die Psyche auf die Si­tua­tion reagieren. Wie auch Rick Odermatt ist sie aber überzeugt: Einfach mal ausprobieren und das Abenteuer wagen ist das Beste. «Wer weiss, vielleicht entdeckt auf diese Weise der eine oder die andere ebenfalls die Freude an diesem Hobby der etwas anderen Art», so Rick Odermatt.

Mehr zu den Touren und dem Hölloch finden Sie hier.