Weinland

Wären Schäden zu verhindern gewesen?

Vier Gewitter binnen dreier Wochen mit zum Teil ergiebigen Niederschlägen haben Schwachstellen im Dorf offengelegt. Und deutlich gemacht, dass es beim Rechen am Mühlebach eine Lösung braucht.

von Roland Spalinger
02. Juli 2021

Mit den Folgen des letzten Gewitters ist Benken noch eine Weile beschäftigt. Der Volg-Laden zum Beispiel macht erst am 3. August wieder auf. Wie Edith Fässler von der Landi Weinland auf Anfrage sagt, müsse das Gebäude zuerst ausgetrocknet werden. Bitter: Erst am 3. Juni war der frisch renovierte Volg-Laden neu eröffnet worden. Aber auch viele Private, die Schule und die Gemeinde sind betroffen; Letztere durch den Keller des Hauses, in dem der Volg eingemietet ist und das ihr gehört. Und ganz generell.

Ein Blick auf die Naturgefahrenkarte (www.gis.zh.ch) offenbart eine der kritischen Stellen: die Si­tua­tion bei der ehemaligen Mühle. Dort tritt der Mühlebach kurz ans Licht, ehe er eingedolt  weiterfliesst bis auf Höhe der Garage Bolli ausgangs des Dorfes. Ein Rechen verhindert zwar, dass das Rohr mit 60 Zentimetern Durchmesser verstopft. Der Rechen selber aber muss von Menschenhand freigehalten werden.

Anwohner haben gewarnt
Bei den heftigen Gewittern, zum Beispiel am 8. Juni, haben das die Mühlenbesitzer gemeinsam mit der Feuerwehr an diesem öffentlichen Gewässer gemacht. «Wir haben laufend den Rechen befreit und damit verhindert, dass der Bach wie am 7. Juni über das Ufer trat», sagt Felix Wiggenhauser. Was das gebracht hatte, wurde 20 Tage später offensichtlich: Beim noch heftigeren Gewitter am Montag, 28. Juni, geriet die Si­tua­tion ausser Kontrolle. Gras, Geschiebe und Totholz blieben am Rechen hängen, der Bach lief über und durchs Dorf und war mit ein Grund (aber nicht der einzige), war­um sich einige Keller und der Volg-Laden füllten.

Am Mittwoch zog Theodor Strasser, der nebst dem Weinbau ein kleines Unterhaltsunternehmen betreibt, mit einem kleinen Bagger Schlamm vom Gelände der alten Mühle. Vorher hatte er mit dem Gerät und im Auftrag der Gemeinde im Bach vor dem Rechen Schaufel um Schaufel Geröll weggeräumt.

In den Wochen zwischen den Ereignissen sei aber nichts unternommen worden, sagen die Mühlenbesitzer und sind unzufrieden – nicht wegen dem Schaden bei ihnen, sondern weil ihrer Warnung, dass Massnahmen zur Reinigung des Bachbetts «sehr, sehr dringend» seien und es einen Notfallplan brauche, zu wenig Beachtung geschenkt wurde.

Schnell-schnell geht nicht
Sie selber hätten auf ihrem Grund und an ihren Gebäuden umgesetzt, was die Gebäudeversicherung wegen der Hochwassergefahren vor drei Jahren empfohlen habe. Die Gemeinde nicht. «Nun ist das Dorf mit doppelter Wucht getroffen worden», bedauern sie.
Hat die Gemeinde den Unterhalt am offenen Teil des Bachs und am Rechen vernachlässigt? «Wir haben nicht nichts gemacht», sagt Tiefbauvorsteherin Daniela Leu. Noch am Montag vor der Ankündigung des nächsten Gewitters sei der Rechen freigeputzt worden. Aber ja, sie müssten etwas unternehmen.

Die Gefahrenkarte für Benken wurde laut Wolfgang Bollack, Sprecher der Zürcher Baudirektion, im Jahr 2017 festgesetzt. «Benken hat 2019, also fristgerecht innert zweier Jahre, eine Massnahmenplanung eingereicht.» Für die Umsetzung der Massnahmenplanung habe die Gemeinde nun zehn Jahre Zeit, also bis 2029.

Schnell-schnell gehe das eben nicht, sagt Daniela Leu. Schon gar nicht an einem Gewässer. Da rede auch der Kanton mit. Dass der Bach nach mehr als 20 Jahren erstmals wieder über die Ufer trat, hat für sie vor allem mit den Extremereignissen in kurzer Zeit zu tun. «Es kam so viel Wasser», sagt sie mit Blick auf den 28. Juni. Zudem seien die Böden gesättigt gewesen und hätten nichts mehr aufnehmen können. Abflüsse zu kanalisieren sei nicht möglich gewesen.

Altes Wissen nutzen
«Zum Teil schon», sagt Roland Müller. Er ist in der Nähe der alten Mühle aufgewachsen und erinnert sich, wie jeweils an der Oberdorfstrasse, etwas unterhalb der alten Mühle, ein Deckel über dem eingedolten Bach geöffnet und Bretter so aufgestellt wurden, dass das überlaufende Bachwasser beim Rechen nach kurzer Strecke dort wieder in die Röhre gelenkt werden konnte, so der Winzer und Journalist, der auch für die «Andelfinger Zeitung» schreibt.

Am Montagabend war er nicht in Benken. Er hat aber Filmchen und Bilder gesehen vom Ausmass des Unwetters. Alle Schäden wären auch mit dem alten Wissen nicht zu verhindern gewesen, meint er. Und er findet, Entwässerungspunkten sollte wieder mehr Beachtung geschenkt werden.

Nicht durch die Feuerwehr – die hilft im Schadenfall, aber nicht prophylaktisch. Am 8. Juni hatte sie in Benken 32 Ereignisse zu bewältigen, am 28. Juni ein paar mehr.

Versicherung: Regresse sind selten

Die Schweizer Hagelversicherung rechnet mit 2500 Schadensmeldungen wegen der Ereignisse vom 28. Juni. Betroffen seien Ackerkulturen, Grasland, Tabak, Obst, Beeren und Reben in elf Kantonen, dar­un­ter Zürich, Schaffhausen und Thurgau. Die erwartete Schadensumme wird mit rund 20 Millionen Franken beziffert.

Die Versicherung Axa schätzt nach eigenen Angaben die Schadensumme seit Beginn der Unwetter vor rund einer Woche auf über 143 Millionen Franken aus über 33'000 Schadenfällen. Nimmt die Axa zum Beispiel Regress auf Gemeinden, wenn diese bei Gewässern Unterhaltsarbeiten vernachlässigt haben? Ja, wie bei allen Schadenfällen, sagt Mediensprecher Marcel Rubin auf Anfrage. Regresse im Zusammenhang mit Umweltereignissen kämen aber nur sehr selten und in Ausnahmefällen vor. (spa)

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