Weinland

Wellenmacherin mit System

Etwa 500 Burden oder Wellen stellt Lieselotte Suter jeden Winter her. Sie hat das Hobby von ihrem Schwiegervater übernommen und den Arbeits­ablauf perfektioniert. Ein Besuch im Wald.

von Roland Spalinger
15. Januar 2021

Aus dem Kamin des Baustellenwagens steigt Rauch auf. Für das Gespräch mit dem Schreibenden hat Lieselotte Suter den kleinen Ofen darin angefeuert. Weil es viel zu warm ist, lassen wir die Tür offen und blicken aus dem mobilen Aufenthaltsraum mit Bank und Tisch auf ihren Arbeitsplatz im Wald zwischen Rhein­au und Ellikon am Rhein.

Als die Blätter unten waren, richtete sie sich dort ein. Den neuen Platz hat ihr der Förster zugeteilt mit dem Auftrag, die blau markierten Bäume stehen zu lassen, den Rest aber zu fällen. Alles schaffe sie kaum, meint die 63-Jährige. Sie werde somit auch im nächsten Winter an der gleichen Stelle sein, um Holz zu Burden oder Wellen zu verarbeiten, bis der Blätz kahl ist.

Kapazität für mehr
Als ihr Schwiegervater vor sechs oder sieben Jahren als Burdelimacher aufhörte, fand sie, das könne sie ja nun tun, und übernahm von ihm nicht mehr als den Holzbock. Doch mit diesem kam sie nicht zurecht. «Meine ersten Burden waren eine Katastrophe, zu locker, zu wenig zusammengedrückt», erzählt sie. Sie habe nach einer besseren Lösung gesucht und den Ablauf stetig verfeinert.

Ihr Bock hat eine Kurbel, ist ein Eigenfabrikat ihres Mannes Jörg und aus Metall. Im Laufe der Jahre hat es der Garagist auf Geheiss seiner Frau auch immer wieder angepasst. «Jetzt ist er perfekt», findet sie. Zu ihrer Ausrüstung gehören ferner der Unterstand mit fünf Abteilungen, den ihr Mann aus Paletten gebaut hat und worin sie der Grösse nach Spälte, dickere, mittlere und dünne Äste und Reisig lagert. Eine Motorsäge liegt bereit für den letzten Schliff, und da ist eben auch der feudale Wagen, um sich darin rundum aufwärmen und auch mal eine Pause machen zu können.

Jeder Wellenmacher nimmt Holz zweimal in die Hände – beim Herrichten und beim Platzieren im Wellenbock. Statt ein paar Haufen um sich herum zu haben, sortiert Lieselotte Suter ihr «mise en place» ein, aus dem sie sich danach bedienen kann. Acht Spälte legt sie in den Bock, gibt zwei, drei dicke Äste darauf, dann platziert sie mittlere und kleinere sowie zwei Büschel Reisig und vollendet mit nochmals acht Spälten. Nun spannt sie das dicke Drahtseil darum, fädelt beim Haken ein und kurbelt die Schlinge eng.

Mit einer abgelängten Schnur prüft sie den Umfang – 90 Zentimeter darf dieser sein, damit die Burde in den Ofen passt. Am Anfang habe sie Burden mehrmals gebunden, weil diese zu dick oder zu dünn waren. Mittlerweile hat sie ein gutes Auge, wie viel Material es sein soll, auch wenn krumme Äste manchmal sperren können. Mit dem stumpfen Teil der Axt haut sie auf ihr Werk ein, um es weiter zu verdichten, zurrt nach, bindet Schnur herum und löst schliesslich das dicke Drahtseil wieder. Rund 500 Mal macht sie dies in einem Winter. Kapazität hätte sie noch für ein paar mehr.

Nicht wegen des Geldes machen
Der Feinschliff auf der Seite wäre nicht nötig, die Welle sehe so aber einfach besser aus, findet sie. Sie wirft die Motorsäge an, die sie «falsch» hält, wie ihr schon gesagt wurde, und vollendet. Es gebe halt keine Säge für Linkshänder, reagiert sie auf Belehrungen. Den Tipp für den Knoten, um die Schnur einfacher straffziehen zu können, nahm sie jedoch gerne entgegen.

Auch wenn Lieselotte Suter nur auf Bestellung produziert, ist das Wellenmachen bloss ein Hobby. Im Wald an der frischen Luft hört sie die Vögel und ist einem Schwatz mit Spaziergängern nicht abgeneigt. Wenn dann schliesslich nur zwei Wellen gemacht sind, ist es halt so, schmunzelt sie, hebt die Schultern und ergänzt, «dann sind es das nächste Mal wieder mehr».

Wegen des Geldes müsse man diese Arbeit nicht machen. Der Stundenlohn reiche nicht für einen Kaffee. Und da sei die Arbeit ihres Mannes, der die Bäume fällt, und ihrer Tochter, die spaltet, nicht berücksichtigt. Aber es müsse sich ja nicht alles finanziell rechnen, meint sie.

Die meiste Zeit sei sie allein im Wald, am liebsten wenns kalt, aber trocken ist. Den Wagen heizt sie immer ein. Für ihr Öfeli stellt sie extra kleine Bürdeli her, die gleich aufgebaut sind wie die grossen. Ist die Schnur durchtrennt, breitet sich das Brennholz perfekt aus – unten liegen die Spälte, oben das Reisig zum Anzünden. Es knistert, Gemütlichkeit breitet sich aus, die wohl einzige Wellenmacherin im Weinland ist zufrieden.


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