Matthias Bürgin ist masslos enttäuscht. Der neue Dreifachkindergarten wird nicht mit Holz aus dem Kohlfirstwald gebaut, obwohl sich der Förster sehr für diese Lösung eingesetzt hatte. Im Sommer, nach dem Volks-Ja am 9. Februar 2020 an der Urne zum 9,35-Millionen-Franken-Kredit «Neubau Dreifachkindergarten und Erweiterungsbau Schulhaus Stumpenboden», aber noch vor dem Holzschlag machte er sich bei der siebenköpfigen Baukommission stark und fragte nach der benötigten Menge.
Eine offizielle Absage hat er bis heute nicht erhalten. Aber mittlerweile die Gewissheit, dass «leider wieder eine Chance verpasst wurde», wie er sagt. Erst Mitte Februar, dreieinhalb Monate nach dem Spatenstich («AZ» vom 2.10.2020) und nachdem sich die Flurlinger Verwaltung als Sitz des gemeinsamen Forsts Kohlfirst Nord ein weiteres Mal nach dem Stand der Dinge erkundigt hatte, kam die Antwort, dass «definitiv nicht» hiesiges Holz verwendet werde.
Für den Bau hätten 600 Kubikmeter Rundholz abgesetzt werden können, fast eine durchschnittliche Jahresnutzung von Feuerthalen. Förster Bürgin hätte auch die Botschaft gefallen: Ein Kindergarten, gebaut mit Holz aus dem nahen Wald. Und die nach Stürmen und Borkenkäferbefall geschädigte Forstkasse der Gemeinde wäre ebenfalls leicht entlastet worden. Feuerthalen setze bei der Vergabe von Aufträgen wenn möglich gezielt auf lokale und regionale Anbieter, sagt Forstreferent Michael Trachsel (SVP). «Aber nicht zu jedem Preis» (siehe Interview).
In Stein am Rhein ging es
Beim ganzen 9,35-Millionen-Projekt schlägt der Holzbau mit 1 Million Franken zu Buche. Gesichert hat sich den Auftrag die Firma Blättler Holzbau aus Affeltrangen. Diese hat keine eigene Produktion und hat mit der Sägerei Konrad Keller AG aus Stammheim, die regelmässig Abnehmerin von Holz aus dem Kohlfirstwald ist, beim Bau der Sporthalle Stein am Rhein zusammengearbeitet. Zum Einsatz kam dort, wie von der Gemeinde verlangt und von der Firma Keller verarbeitet, Rundholz aus dem Steiner Wald.
Bei der Submission der Kindergärten verpasste es die Gemeinde, eine ähnliche Vorgabe zu machen, weshalb sich die Firma Blättler aus ihrem üblichen Kanal aus dem Ausland beliefern lässt. Trotzdem wurde nachträglich eine Variante mit Kohlfirstholz gerechnet. Die Mehrkosten beziffert Matthias Bürgin auf 30 000 Franken. Auf der anderen Seite hätte die Gemeinde durch den Holzverkauf auch Einnahmen gemacht, sagt der Förster, und geht tatsächlich noch von 5000 Franken mehr aus.
Es gehe «primär nicht um die Kosten», sagt Tonino D’Ascanio, Gemeinderat (GLP) und Präsident der Baukommission, sondern um Arbeitsabläufe. «Wir können nicht in einen Prozess eines grossen Holzverarbeiters eingreifen.» Der Lieferant würde dann Abstriche bei der Garantieleistung machen. Dessen Produkte «erfüllen Qualitätsrichtlinien, die bei ‹unserem› Holz leider nicht erfüllt sind», sagt er (siehe Interview).
Gisela Keller: «Erfüllen Qualität»
Ersteres kann Gisela Keller von der gleichnamigen Sägerei verstehen. Ein Eingriff in eine funktionierende Lieferkette mit eingespielten Mechanismen mache eine Sache komplizierter. Und, wenn dies nachträglich geschehe, auch teurer. Aussagen bezüglich fehlender Garantie oder, noch schlimmer, mangelnder Qualität empören sie. Schweizweit würden Bauten aus Schweizer Holz realisiert, und «natürlich müssen dabei die europaweit gültigen Qualitätsansprüche erfüllt werden».
Auch aus ihrer Sicht passierte der Fehler schlichtweg am Anfang. Die öffentliche Hand hätte bei der Ausschreibung Holz aus Schweizer Wald, wenn nicht vorschreiben, so doch als zu rechnende und abzuwägende Variante, erwähnen müssen. Oder sie müsste den Bereich Ökologie mehr gewichten. Dann wäre «automatisch klar», dass Holz mit Transporten aus Osteuropa «früh raus» wäre (ein LKW lädt 40 Kubikmeter), sagt Gisela Keller. Mit dem Preis, den sie für die Rundhölzer bezahlt hätten, hätten die Gemeinden wenigstens die Erntekosten decken können.
Förster bedauert fehlende Lobby
Als nach Stürmen und wegen dem Borkenkäfer Holz nach China verschifft wurde, musste auch Matthias Bürgin Kritik einstecken. Nun dreht er den Spiess um: Er hat in diesem Fall die Öffentlichkeit gesucht. Dass der Wald in der Gemeindebehörde keine Lobby hat, schmerzt ihn. Ebenso, dass Argumentationen von Grossunternehmern scheinbar blindlings übernommen und unnötige Transporte einfach in Kauf genommen werden. Auf der Strecke blieben regionale Wertschöpfung sowie der Erhalt von Arbeitsplätzen, bedauert er.
Beim Bau der neuen Freizeitanlage in Feuerthalen kürzlich schaffte er es gerade noch, dass bei der Aussenfassade Holz aus seinem Revier verbaut werden konnte. Für die für den Kindergarten trotzdem parat gemachten Fichten muss er nun andere Abnehmer finden.
Wieder eine Chance verpasst