Viele ZĂĽchter der aus Schottland stammenden Robustrinderrasse Galloway treffen sich im Zweijahresturnus irgendwo auf dem Globus zu einem Weltkongress, zuletzt in Australien. Unter der in Englisch verfassten Einladung zur diesjährigen DurchfĂĽhrung in der Schweiz stand die gereimte Grussformel «All the way with Galloway». Ăśbersetzen könnte man dies mit «voll und ganz fĂĽr Galloway» oder auch «bis ins Ziel mit Galloway». Nun mag der Weiler Hausen bei Ossingen fĂĽr die meisten Leserinnen und Leser der AZ kein besonders aufregendes Ziel sein, doch die 80 Kongressteilnehmer aus aller Welt liessen sich am Dienstag in Cars zum Rheinfall und danach direkt nach Hausen chauffieren.Â
Denn auf dem Husemerhof gab es die Herde von Helen und Heini Keller zu sehen, die mit ihren weissgegĂĽrteten Tieren regelÂmässig Auszeichnungen gewinnen (Betriebsporträt in der AZ vom 18.10.2019). Am Morgen fand die FĂĽhrung auf Deutsch statt, am Nachmittag kam die englischsprachige Gruppe mitsamt Ăśbersetzer. Deren Gäste aus den USA, Australien, Neuseeland, Schweden und Frankreich besuchten nach einem Abstecher ins Kirchlein kurz die Reben, wo Heini Keller mit dem WĂĽmmet der GewĂĽrztraminerbeeren beschäftigt war. Die meisten der ZĂĽchter haben zu Hause keinen Mischbetrieb mit Rebbau. Sie lauschten interessiert den Erklärungen und probierten die aromatischen Trauben.Â
Bildung, Tourismus, Freundschaft
Auf dem Weg hoch zu der Weide, wo die GallowaykĂĽhe und ihre Kälber grasten, war einigen Männern und Frauen dann eine gewisse MĂĽdigkeit anzumerken. Darauf angesprochen, erzählte eine ZĂĽchterin aus dem amerikanischen Bundesstaat Virginia, der sechstägige Kongress sei toll, aber sehr anstrengend. Seit Sonntag seien die beiden Gruppen jeden Tag um sieben Uhr im Hotel in Bern abgeholt worden und frĂĽhestens um 19 Uhr wieder zurĂĽckgekehrt – oder einiges später, je nachdem, wie viele Verkehrsstaus sie ausgebremst hätten.Â
Das Programm fĂĽhrte jeden Tag in eine andere Region der Schweiz. In den ersten beiden Tagen gings ins Baselbiet und ins Wallis – samt Stopp auf dem Grimsel, am dritten ins Weinland, und tags darauf wurden Käsereien in Gruyère und die Cailler-Schoggifabrik besichtigt. Am Donnerstag stand in Bern der wissenschaftlich-theoretische Teil an, und am Freitag konnten individuelle AusflĂĽge gebucht werden.Â
In der Schweiz ist alles etwas kleiner
Die Frau aus Virginia schien jedenfalls ganz froh um die kleine Pause mit der Journalistin und erzählte weiter: Diese Mischung aus touristischem Sigthseeing und Fachexkursionen sei so gut, dass die meisten Teilnehmenden regelmässig zu den Weltkongressen kämen und sich darauf wie auf ein Treffen mit Freunden freuten. «Ich selbst bin das erste Mal dabei und habe bloss eine Hobbyherde mit 18 KĂĽhen und ein paar Kälbern. Aber unter den Leuten da drĂĽben sind auch ZĂĽchter mit Tausenden von Rindern», verriet sie. Das Klima und die Dimensionen der Weiden in Montana oder im Norden von Texas seien eben ganz anders als bei ihr in Virginia. Doch auch die Grossbetriebe könnten von den Erfahrungen anderer ZĂĽchter mit den unterschiedlichsten klimatischen Voraussetzungen lernen. Das Faszinierende an dieser Rinderrasse sei ja genau, dass sie ĂĽberall ganzjährig draussen gehalten werden könne und sehr anpassungsfähig sei.Â
Dermassen grosse Herden dienen einzig der Fleischproduktion. Schönheit ist da zweitrangig. Am Ende werden zwar auch die Tiere der überschaubaren Husemerherde verspeist, doch vorher treten die attraktivsten vor einer Jury an. «Von Helen Keller habe ich erfahren, welche Merkmale dann zählen. Darüber wusste ich bis jetzt ehrlich gesagt fast nichts», sagte die Frau aus Amerikas Osten. Dann fesselten Alphornklänge vom Waldrand her ihre Aufmerksamkeit. Vermutlich erzählt man sich in Virginia demnächst, in der Gegend des Rheinfalls würden die grasenden Rinderherden mit Alphörnern beschallt.