Weinland

Das Beste aus dem Sturmholz machen

Geri und Claudia Wiesmann wollten gar nicht bauen. Der Sturm und eine Erschliessung änderten die Dinge. Vier grosse Minergiewohnungen aus Sturm­vollholz sind die Konsequenz.

von Silvia Müller
18. Januar 2019

Keine Freude hätten er und seine Frau Claudia damals gehabt, als das Gelände unterhalb ihres Bauernhofs eingezont werden sollte, erzählt Geri Wiesmann – obwohl auch sie dort Boden besitzen. Die Gemeindeversammlung zonte ein, die Erschliessung wurde fällig, auf die Eigentümer kamen hohe Kosten zu, egal, ob sie bauen wollten oder nicht.

Als auch noch der Sturm in der Nacht vom 1. August 2017 im Wald der Wiesmanns 300 bis 400 Kubikmeter Holz hinwarf, das verwertet werden musste, änderte die Familie die Per­spektive. Sie beschloss, vier grosse Reihenhäuser in ökologisch nachhaltiger Bauart und ausschliesslich aus Neunforner Sturmholz zu bauen.

200 Kubikmeter bautaugliches Fichtenrundholz standen nach dem gros­sen Aufräumen im eigenen Wald zum Aufladen bereit, weitere 100 Kubik kauften sie ein. Die Sägerei Keller in Unterstammheim stellte daraus die nötigen 160 Kubik Bretter und Bauteile her. «Wir haben bewusst entschieden, auf der ganzen Linie konsequent lokal zu bauen. Also auch nur mit Firmen von hier oder mit einem familiären Bezug», erklärt Geri Wiesmann. Der älteste Sohn Florian hilft tatkräftig als Zimmermann mit.

Den Förster freuts
Einer kennt das Baumaterial ebenfalls schon lange: Paul Koch. Er freut sich mindestens doppelt über die gute Lösung – als Revierförster und als Präsident von Lignum Ost, dem Verein der Thurgauer Wald- und Holzwirtschaft. «Das eigene Holz zu verbauen wird immer interessanter, mit den Fortschritten, die der Holzbau macht», sagt er.

Bei seiner Arbeit für Lignum Ost und auch im Thurgauer Kantonsrat sei er froh um solch gute Vorzeigeprojekte wie das einheimische Vollholzhaus der Wiesmanns. «Der Zustand des Waldes und der Forstwirtschaft müssen in der Öffentlichkeit und politisch wahrgenommen werden, und gerne auch mal wegen optimistisch stimmmenden Lösungsvorschlägen», sagt Paul Koch.

Wenig Energie, viele Arbeitsplätze
In diesem Haus stecke wenig graue Energie, betont Paul Koch: «Kürzer als vom Wald in die nächste Sägerei und dann auf die Baustelle im Nachbardorf kann ein Transport von Baumaterial gar nicht sein.» Dieses lokale Denken bringe Mehrwert für alle. Der Wald werde genutzt, die Region könne Arbeitsplätze bieten, die Qualität auf der Baustelle stimme. «Ja, so denken wir auch, aber aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht haben wir einen ziemlich schlechten Entscheid gefällt», entgegnet Geri Wiesmann und lacht. Aber mit Holz aus Russland und Firmen aus Deutschland zu bauen – das sei für seine Familie gar nicht infrage gekommen.

Umso mehr freuen sie sich, dass die lokale Holzbauweise sehr wenig Zeit brauchte. Nach dem Aushub und dem Betonieren dauerte es nur gerade zwei Wochen, bis der Holzrohbau stand und das Tännchen auf den First durfte.

Die einladenden Wohnungen bieten 240 Quadratmeter auf zwei Geschossen, grosse Aussenterrassen und Lauben. Darunter nimmt eine geräumige Tiefgarage alle Fahrzeuge auf und bietet gemeinsam nutzbare Räume. Die betonierte Tiefgarage und mindestens zwei Geschosse waren Auflagen der Bauordnung. Dass anstelle von Holzbauweise mit Fermacellfüllungen ausschliesslich geleimtes Vollholz verwendet wurde, war hingegen eine freie Entscheidung der Bauherrschaft. «Diese Bauart ist zwar teuer, führt aber zu einem besseren Raumklima», erklärt Paul Koch.

Holzbau bedeutet hier alles andere als Chaletstil. Das in den Wänden verbaute Holz wird nach dem Innenausbau nur noch an wenigen Stellen sichtbar sein. Die Räume werden mehrheitlich mit Gipsplatten ausgekleidet und verputzt.

Die mittleren Häuser sind ab Sommer zu vermieten, die beiden Eckhäuser beziehen die Wiesmanns selber. Denn der Sohn Diego und die Tochter Bianca wollen später gemeinsam den Bio-Hof übernehmen und sind schon jetzt in den Betrieb eingebunden. Nun ziehen sich die Eltern bereits einen ersten Schritt zurück, runter ins neue Haus – obwohl sie noch weit von der AHV weg sind. Die Tochter bleibt im Bauernhaus, der Sohn zieht auch in den Neubau.

«Wir Eltern bleiben sicher noch einige Jahre lang verantwortlich für den Betrieb. Der Sturm und die Einzonung haben einfach unseren Auszug von zu Hause etwas beschleunigt», sagt Geri Wiesmann – auch aus Stürmen sollte man möglichst das Beste machen.

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