Weinland

Die Kunstlocation Schlosspark

Der Schlosspark soll nun auch Kunstfreunde anlocken. Gestern hat Roman Signer die Installation montiert, die grösstenteils aus dem ZKB-­Jubiläumsbatzen finanziert wurde.

von Silvia Müller
23. April 2021

Zum 150-jährigen Bestehen verteilte die Zürcher Kantonalbank 2020 eine Zusatzdividende von 150 Millionen Franken – zwei Drittel davon gingen an den Kanton, ein Drittel an die Politischen Gemeinden. Der ZKB-Bankrat wünschte sich, dass der Zustupf für «besondere Projekte» ausgegeben werde, die der «gesamten Zürcher Bevölkerung einen aus­sergewöhnlichen Nutzen» ermöglichen und deren Realisation sonst finanziell nicht gesichert wäre.

Dieser Interpretationsspielraum ist weit und umkämpft, wie sich inzwischen gezeigt hat. So investiert der Kanton mit Blick auf die gesamte Bevölkerung rund 50 Millionen Franken in das unentgeltliche Corona-Impfprogramm und 28 Millionen Franken in zahlreiche bessere Zugänge zu Fliessgewässern wie Töss, Thur, Glatt und Limmat.

Im Weinland schlug wohl Truttikons Elektro-Mietauto die höchsten Wellen – rund 50 Dorfbewohner sahen darin keinerlei Nutzen für die Allgemeinheit und versuchten (erfolglos), das Vehikel wieder loszuwerden. Andererseits gibt es Gemeinden, die das Geld von vorn­herein grösstenteils unsichtbar in der laufenden Rechnung «versenken» und sich damit die Finanzierung regulärer Aufgaben erleichtern.

Mischrechnung in Andelfingen
Andelfingen ging anders vor: Nach einer Anfrage von Katharina Büchi Fritschi rief der Gemeinderat die Bevölkerung auf, Vorschläge zur Verwendung der 80'000 ZKB-Franken zu machen. Katharina Büchi Fritschi selbst sammelte umgehend fast 142 Stimmen für ihre Idee, den 83-jährigen Kunststar Roman Signer für ein massgeschneidertes Kunstwerk in den Schlosspark zu holen. Nach einer Begehung mit ihm und dem Schlossgärtner waren Projekt und Kostenpunkt kommunikationsreif: eine Installation am Mülibächli, die einen Handschuh aufs Wasser absenkt; 35'000 Franken.

Diesen Beitrag sprach die Gemeinde dem Vorhaben im September 2020 auch zu. Zunächst seien nur wenige Gesuche eingegangen, zuletzt habe das Geld aber nicht mehr für alle gereicht – man prüfe nun, ob abgelehnte Anfragen im Rahmen des Budgets unterstützt werden könnten, teilte der Gemeinderat damals mit. Je 6000 Franken erhalten der Konzertverein und die Musikgesellschaft, der Naturschutzverein erhält insgesamt 21'600 Franken, und 5500 Franken steuert die Gemeinde zur E-Bike-Ladestation auf dem Marktplatz bei.

Gestern zeigte sich die Initiantin bei der medienbegleiteten Installation begeistert über das gute Ende: «Wir haben nun einen tollen Gegenwert», sagte sie – und dies, obwohl sie dafür nochmals auf eigene Faust 5000 Franken Spenden auftreiben musste, weil der Künstler die Offerte nachträglich um 15 Prozent auf 40'000 Franken erhöht hatte.

«Ein toller Gegenwert»
Doch nun habe Andelfingen eine gros­se Attraktion gewonnen, sagte sie, Roman-Signer-Fans würden hier nicht nur den Schlosspark entdecken. «Und auch die Familien aus der Umgebung werden über den Handschuh diskutieren und dabei den Gegensatz zwischen Natur und Künstlichkeit, zwischen gewachsen und installiert, zum Thema machen», ist sie überzeugt.

Bedingung ist allerdings, dass das Ding dann überhaupt auf dem Wasser tanzt. «Wenn die Mühle unten in Betrieb ist, kommt hier gar kein Wasser, dann wird der Schieber schon weiter oben umgelegt und alles Wasser umgeleitet», stellte der Schlossgärtner beim Pickeln klar – er musste den Durchfluss gestern tatkräftig steigern, weil der Handschuh bloss faul im Wasser liegen blieb. «Und in heissen Sommern kommt hier meist auch kein Wasser», schob der Gärtner nach.

Das hatte Roman Signer bei der Begehung ganz anders erlebt: «Damals kam viel mehr Wasser, es hatte vorher tagelang geregnet.» Wer wie er die Elemente und Naturkräfte mit der Kunst vereint, lernt allerdings, mit solchen Schwierigkeiten zu rechnen. Deshalb waren sein Leibschlosser und sein Assistent mit im Schlosspark, beide erfahren darin, Gewachsenes und Künstliches zum Zusammenspiel zu bewegen. «Trotzdem, wir kürzen nächste Woche die Holzlatte und bringen einen Handschuh, der sich weniger vollsaugt», sagte Roman Signer nach einer Weile.

Mit dieser pragmatischen Lösung macht er Katharina Büchi Fritschi wieder einen Strich durch die Rechnung: «Ich habe bereits einen Vorrat exakt dieser roten Lederhandschuhe gekauft, damit sie auch in fernerer Zukunft originalgetreu ersetzt werden könnten», sagt sie. «Das kalkhaltige Wasser und die Witterung werden darauf markante Spuren hinterlassen. Ich stellte mir vor, die abgenutzen Handschuhe wie in einer Galerie irgendwo auszustellen».

Zum Glück kann dieses Folgeprojekt genauso gut mit jedwelchem Ersatzhandschuhmodell realisiert werden. Doch was wird aus dem Vorrat roter Lederhandschuhe? «Solche Arbeitshandschuhe kann man immer irgendwo brauchen», sagt Roman Signer, und meint die Kunst und den Alltag gleichzeitig. Wenn nicht zum Schwimmen und Tauchen im Wasser, dann halt zum Abwehren von Funkenwurf und Flammen – dafür sind Schweisserschutzhandschuhe ja eigentlich gemacht.

Mehr zu Roman Signer: «AZ» vom 28.2.2020 und vom 18.12.2020

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