Weinland

Ein Blumengeschäft in voller Blüte verschwindet

Barnabas-Inhaberin Nicole Vollenweider hat keine Angst vor grossen Schritten. 2016 nicht, als sie fast noch in der Lehre das Blumengeschäft übernahm. Und in drei Wochen nicht, wenn sie es für immer schliesst.

von Silvia Müller
09. Juni 2023

Seit 1998 konnte man im Barnabas Schnittblumen und fertige Floristikkreationen kaufen oder nach eigenen Vorstellungen welche bestellen. Als sich die Gründerin Simone Hürlimann 2016 zurückziehen wollte, fand sie eine sehr junge und ebenso entschlossene Nachfolgerin: Ihre Auszubildende Nicole Gehring wagte noch mitten im letzten Lehrjahr den Schritt in die Selbständigkeit. «Ich kannte damals noch nicht einmal das Resultat meiner Abschlussprüfung, aber es musste eben schnell gehen», erzählt sie.

Es lief alles gut. Sie übernahm ihren Lehrbetrieb als Besitzerin und legte los, unterstützt von ihren Eltern, Freunden und einem super Team. Das erste Jahr ging wie im Flug vorbei, und danach hatte sie die vorgeschriebene Berufspraxis, um die Ausbildung zur Lehrlingsausbildnerin machen zu können. Sie hat geheiratet und den Namen Vollenweider angenommen und ist seit einigen Monaten Mutter. Und sie wagt es, ein eta­blier­tes, gutgehendes Geschäft zu schliessen und ihrem Leben eine neue Richtung zu geben.

Nach sieben Jahren Arbeit und Einsatz zieht wohl niemand einfach so einen Schlussstrich. «Wir haben lange überlegt, wann der richtige Zeitpunkt wäre. Erst im Januar haben wir den Laden noch neu eingerichtet», erzählt sie. Doch inzwischen wurde ihr klar, dass sie den Betrieb nach den üblichen vier Wochen Sommerferien nicht noch einmal hochfahren möchte, um dann Ende Jahr ganz aufzuhören.

«Es ging immer genau auf»
Deshalb wird der erste Julisamstag auch der allerletzte Barnabas-Tag. Sie freue sich, dann mit allen Kundinnen und Gästen auf die vergangenen sieben Jahre anzustos­sen und Abschied zu nehmen. An jenem Tag werden vermutlich auch die letzten Produkte in den Gestellen und die Möbel und Einrichtungsgegenstände verkauft. Der Schlussverkauf läuft bereits seit einigen Tagen.

«Ich tat mich nicht leicht mit der Entscheidung. Finanziell ging es immer genau auf», erzählt Nicole Vollenweider. Sie konnte eine Floristin mit 60-Prozent-Pensum, eine weitere im Stundenlohn und eine Auszubildende beschäftigen und selbst auch zu 60 Prozent im Laden stehen. Zwei Dinge gaben den Ausschlag: «Der Einkauf und die meisten anderen Kosten sind spürbar am Steigen, und es ist absehbar, dass es nicht so bald einfacher wird.» Und als Mutter eines Kleinkinds müsse sie anders rechnen. «Weitermachen um jeden Preis, aus Enthusiasmus und ohne auf die Arbeitszeit zu achten, ist für uns in der nächsten Zukunft keine Perspektive. Wir hätten gerne ein zweites Kind.»

Brückensperrung war nur der Anfang
Die sieben Jahre seien grossartig gewesen, und ihr Team sei es immer noch. Zusammen hätten sie jedes Jahr «eine schwierige Phase nach der anderen gemeistert». 2018 war die Holzbrücke neun Wochen lang gesperrt, die Kleinandelfinger Geschäfte verloren über Nacht bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes und mussten sich der Kundschaft mit Aufrufen und Aktionen in Erinnerung rufen (AZ vom 18.5.2018).

2020 kam der Lockdown, und im Jahr dar­auf war der Laden eines kalten Februarmorgens voll mit geruchlosem, giftigem Gas, das aus einem Leck der Ölheizung stammte. Die Feuerwehr hatte einen Spezialeinsatz, und drei Frauen aus dem Team mussten zur Kontrolle ins Spital. «Zum Glück trugen sie keine gesundheitlichen Schäden davon. Aber unser gesamtes Pflanzensortiment erfror an diesem Tag, weil alle Fenster und Türen stundenlang offen bleiben mussten.» Die Versicherung zahlte einen Teil, doch auch der Selbstbehalt tat weh. Trotzdem, die sieben Jahre seien eine grossartige Erfahrung gewesen, sagt sie. «Ich habe jeden Tag alles gegeben und sehr viel mehr gelernt, als wenn ich irgendwo angestellt gewesen wäre.»

Doch nun wolle sie sich auf die Familie kon­zen­trie­ren und zu Hause arbeiten, falls persönliche Bestellungen einträfen, etwa für Hochzeiten oder Grabschmuck. Ihre Angestellte nehme den Wechsel zum Anlass, eine andere Branche auszuprobieren, und die Lehrtochter könne die Ausbildung nahtlos in einem anderen Betrieb beenden.

Und weil sie selbst nun wisse, wie viel Geld und Mühe in der Gründung einer GmbH stecken, wolle sie das Geschäft, den eta­blier­ten Namen und die GmbH gar nicht verkaufen. «Falls wir irgendwann wieder mehr Zeit und gute Ideen haben, könnten wir unter dem Namen Barnabas auf einfache Art nochmals neu starten.»

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