Eine Villa aus zweiter Hand

Region - Die Baubio-Regionalgruppe Schaffhausen besuchte die Recycling-Villa von Ernesto Suter in Neuhausen – ein Minergie-Haus aus gebrauchten Materialien und ein klares Statement gegen die Wegwerfgesellschaft.

Stefanie Tumler (st) Publiziert: 19. August 2025
Lesezeit: 2 min

Ernesto Suter steht vor seinem Haus und deutet auf die Ziegelwand: «Diese Steine stammen aus dem Abbruch des Agnesenklosters in Schaffhausen.» Schon beim Näherkommen wird klar: Dieses Haus ist anders. Jede Fassade erzählt ihre eigene Geschichte – mal aus alten Glasbausteinen, mal aus Fassadenplatten, dann wieder aus freigelegtem Backstein errichtet. Kein Quadratmeter ist zufällig gestaltet, alles ist bewusst gesetzt.

Hausfassade

Ein ökologisches Wohnprojekt mit geschwungener Dachform, recycelten Schindeln und Fensterdekor aus alten Flaschen – Architektur im Einklang mit Kreativität und Nachhaltigkeit.

Altglas

Fensterbrüstungen aus recycelten Glasflaschen zeigen, wie stilvoll und funktional Wiederverwertung in der Architektur sein kann.

Selbst die Materialien tragen Geschichten in sich – oft mit einer Herkunft, die bis auf einzelne Gebäude zurückverfolgbar ist. Vor dem Gebäude klappert ein Zaun aus ausrangierten Einkaufswagen im Wind sowie ein Geländer, geschweisst aus Hufeisen, Sichelblättern und Fahrradspeichen. Skurril? Vielleicht. Aber alles hier hat einen Zweck – und Charakter. Willkommen in der Recycling-Villa von Neuhausen: einem Wohnhaus, das aussieht wie ein Kunstprojekt und dennoch nach Minergie-Standard gebaut ist. Türen, Fenster, Dämmung – kein Bauteil ist neu. Die Haustür war einst Teil eines Kühlraums der Coop-Metzgerei, das Treppenholz stammt aus dem Brockenhaus, ein Regal im Badezimmer war früher eine Treppenstufe. Ein Spiegel ist mit Industriediamanten eingefasst, daneben fluten Lichtstrahlen durch aufgespiesste blaue Glasflaschen – gesammelt in Altglascontainern. Nichts entspricht hier der Norm, aber alles fügt sich zu einem stimmigen Ganzen.

Ernesto Suter, langjähriger Cheminéebauer, versteht sich vor allem als Gestalter. Gezeichnet und modelliert hat er schon immer – jetzt hat er sich sein Werkstück gleich selbst gebaut. Nicht mit Katalogmaterialien, sondern mit Fundstücken. Was auf Baustellen, bei Rückbauten oder im Brockenhaus auftauchte, wurde notiert, eingelagert, geprüft – und irgendwann eingebaut. Statt zu planen und dann das Passende zu suchen, baute er das Haus mit dem, was da war. So entstanden Räume mit Geschichte. In der Decke: behandeltes Käferholz. Im Wohnzimmer: Schamottsteine aus einer alten Zementfabrik in Thayngen. Die Dämmung stammt aus dem Rückbau anderer Dächer, und die Wände schmücken Mosaike aus Kronkorken. Besonders eindrücklich: handgefertigte Ziegel mit sichtbaren Fingerabdrücken – Spuren vergangener Hände, bewahrt im neuen Kontext.

Bemalte Keramikplatten
Detail der Innenausstattung der Recycling-Villa: Handbemalte Keramikfliesen mit Pflanzenmotiven und volkstümlichen Figuren. | Stefanie Tumler

Dass so viel Individualität auch noch energetisch überzeugt, überrascht: Das Haus erfüllt den Minergie-Standard. Möglich wurde das durch sorgfältige Planung, kreative Lösungen – und durch Handwerkerinnen und Handwerker, die seine Idee mitgetragen haben. Zwar war der Bau aufwendiger und teurer als ein Standardhaus, aber darum ging es hier nicht. Fertig, so sagt Ernesto Suter, werde das Haus ohnehin nie. Dazu müsste er ausziehen – und aufhören, daran weiterzubauen.

Tuer

Eine handgefertigte Metalltür in Form einer Hand steht sinnbildlich für Offenheit, Handwerk und den kreativen Geist des Hauses.

Villa Von Hinten

Rückansicht der Recycling-Villa: Die geschwungene Holzfassade und das Spiel aus natürlichen Materialien zeigen eindrucksvoll, wie Architektur, Kunst und Ökologie miteinander verschmelzen können.