Weinland

Erschöpfter Fischadler wird wieder aufgepäppelt

Erst zum zweiten Mal ist in der Greifvogelstation ein Fischadler zu Gast. Das erschöpfte, aber unverletzte Tier soll bald wieder freigelassen werden.

von Christina Schaffner
25. August 2020

Der Fischadler sass erschöpft im aargauischen Rheinsulz in einem Fischzuchtbetrieb. Die Betreiber hatten den Vogel entdeckt und gemeldet. Obwohl er quasi im «Schlaraffenland» sass, so eine Mitteilung der Greifvogelstation auf ihrer Website, habe er teilnahmslos gewirkt. Die Tierrettung brachte ihn nach Berg am Irchel in die Greifvogelstation.

Ein medizinischer Check habe dort ergeben, dass der Fischadler unverletzt sei. «Die vorsichtige Diagnose lautet Erschöpfung.» Vorerst befindet sich der Patient in einer Flugkammer, wo er sich erholen und man ihn genauer beobachten kann. Sein Appetit sei gut. «Vermutlich ist er zu tief ins Wasser eingetaucht und kam nicht mehr hoch», sagt Andi Lischke, Leiter der Greifvogelstation. Am gestrigen Montag wollte er ihn nochmals untersuchen, und wenn es ihm gut gehe und alles in Ordnung sei, «ihn umgehend wieder freilassen». Bereits im Jahr 2017 war einmal ein Fischadler in der Greifvogelstation zu Gast. Er wurde im Kanton Fribourg wieder ausgesetzt.

Ausgerottet durch Abschüsse
In der Schweiz gelten Fischadler seit über 100 Jahren als ausgestorben – ausgerottet durch Abschüsse. Dies, obwohl unser Land mit vielen Flüssen und Seen für sie einen idealen Lebensraum bietet. Mit einem Projekt wird seit 2016 durch die Organisation Nos Oiseaux versucht, die grossen Greifvögel wieder anzusiedeln. Dafür werden aus anderen Ländern Jungvögel importiert, im freiburgischen Bellechasse herangezogen und freigelassen. Dies ist in dieser Form nötig, um sie auf die Schweiz zu prägen, erklärt Andi Lischke. «Fischadler ziehen an ihren Geburtsort zurück. Dass sie sich woanders ansiedeln, ist eher Zufall.» Einige der Jungvögel, die als Zugvögel im Herbst nach Afrika ziehen, wurden seitdem wieder in der Aufzuchtregion oder im benachbarten Frankreich gesichtet.

Ein Paar hatte an der Mosel in Deutschland einen Nistversuch unternommen, der aber scheiterte. Ob wegen des schlechten Wetters oder der Unerfahrenheit ist laut «Nos Oiseaux» nicht ganz klar. Auch in Frankreich brütete in diesem Jahr ein Paar. Der jetzt in der Greifvogelstation aufgenommene Fischadler stammt aber nicht aus dem Projekt, sondern wurde in diesem Jahr im brandenburgischen Deutschland geboren und beringt, so Andi Lischke. Er habe sich auf dem Durchzug nach Afrika befunden – wie seine Artgenossen.

Wiederansiedelung in der Schweiz
In diesem Jahr war es aufgrund der Corona-Krise besonders schwer, die zwölf Jungvögel aus Norwegen und Deutschland für das Wiederansiedelungsprojekt in die Schweiz zu holen, wie auf der Website von «Nos Oiseaux» zu lesen ist. Derzeit gehe es den Jungvögeln gut, für die Fisch von Berufsfischern geliefert wird. Bald werden auch sie ausfliegen.

Im Weinland werden derzeit Anstrengungen unternommen, um dem Fischadler optimale Bedingungen zu bieten. So hätten im März Nisthilfen aufgestellt werden sollen. Wegen der Corona-Krise wurde das umfangreiche Unterfangen im letzten Moment unterbrochen und soll später fortgesetzt werden. Ob die bereitgestellten Horste aber wirklich eines Tages von Fischadlern besiedelt werden, bleibt abzuwarten. Andi Lischke ist vorsichtig: «Das ist eher unwahrscheinlich, da die Vögel normalerweise zum Geburtsort zurückkehren. Dafür müssten zwei Vögel zur gleichen Zeit dort eintreffen und alles andere auch stimmen – das wäre wie ein Sechser im Lotto.» Mit anderen Arten würde ein solcher Versuch besser funktionieren.

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