Exklusiver Start von «Like Weinland»

Rheinau - Ein Schlagabtausch illustrer Gäste zum Thema Tiefenlager, Zopf und Kaffee – und doch blieb die Gründungsversammlung des Vereins Like Weinland eine Veranstaltung in kleinem Kreis.

Silvia Müller (sm) Publiziert: 28. August 2018
Lesezeit: 4 min

«Wenn die Bauern dagegen sind, weiss die Bevölkerung: An der Sache ist was dran» – das sagte Jürg Rasi vor einigen Wochen, als er die Gründung des Vereins «Ländliche Interessengemeinschaft Kein Endlager im Weinland», kurz «Like Weinland», ankündigte. Er wäre ein vom Bau des Tiefenlagers für radioaktive Abfälle unmittelbar betroffener Landwirt und erhoffte sich vom Festakt eine Symbolwirkung. Mit der neu als Verein aufgestellten IG will er auch nichtbäuerliche und gar städtische Kreise zum Widerstand gegen eine «Atommüllhalde in der Heimat» bündeln. Die 120 IG-Mitglieder sollen erst der Anfang sein.

Der Schritt zur neuen Rechtsform fand am Sonntagmorgen in einer Feldscheune in Rheinau statt. Der Blick auf die Gästeschar führte allerdings zur Frage, ob «die Bauern» denn überhaupt gegen den Bau eines Tiefenlagers sind. Unter den nur 40 Anwesenden stellten sie jedenfalls bei Weitem nicht die Mehrheit. Viele Gründungsteilnehmer stammen aus dem «Grün-Links-Öko-Umfeld» wie «Klar! Schweiz», Kernfrauen und Fintan-Stiftung.

«Man muss nicht links oder grün sein, um sich gegen die Zerstörung der Natur und der Heimat zu wehren!», betonte Jürg Rasi. Laut Umfragen sage nur ein Drittel der Bevölkerung uneingeschränkt Ja zum Bau eines Tiefenlagers in der Schweiz – die anderen seien unentschieden oder dagegen. Diese Leute wolle «Like» zukünftig mobilisieren. «Unsere erste, unübersehbare  Aktion kommt schon nächste Woche», versprach er.

Politik «nicht wichtig» – oder doch?
Das Podiumsgespräch geriet sehr unterhaltsam. Es debattierten zwei eloquente Landwirte: Hans Frei ist Präsident des Zürcher Bauernverbands und Landwirt in der potenziellen Standortregion Nördlich-Lägern. Martin Ott leitet die biodynamische Schule Rheinau und die Fachgruppe Sicherheit des regionalen Partizipationsgremiums zur Tiefenlagersuche. Biolandwirt Heinz Höneisen (Andelfingen) fühlte als Moderator als Erstes dem Bauernvertreter auf den Zahn: «Hans Frei, was würdest du sagen, wenn das Eingangstor zum Tiefenlager praktisch neben deinem Scheunentor läge?» Die Stossrichtung war klar: Vertritt der Bauernverband in dieser Frage tatsächlich die Interessen der Bauern, auf politischer Ebene, aber auch konkret, wenn dafür Felder hergegeben und Höfe geräumt werden müssen?

«Der Bauernverband wird sich den wissenschaftlichen Resultaten nicht verschliessen», antwortete Hans Frei. Und später: «Wer bei uns den grundsätzlichen Widerstand vermisst, steht auf dem Standpunkt: Hauptsache, die gefährlichen Stoffe werden nicht vor unserer eigenen Haustüre vergraben. Die Verlagerung oder gar der Export ins Ausland sind aber nicht die bäuerliche Strategie.»

Kulturlandverlust – mal so, mal so
Martin Ott beschleunigte die Diskussion: «Der Bauernverband steigt wegen fast jedem Meterchen Kulturlandverlust für Renaturierungen auf die Barrikaden, aber wenn Grossverteiler riesige Flächen für einstöckige Gebäude und Parkplätze besetzen oder 15 Hektaren für ein Endlager abgesperrt werden, macht er keinen Mucks! Manchmal hätte ich Lust, eine Alternative zum Bauernverband zu gründen.»

Hans Frei konterte: «Der Bauernverband wird sich dann einbringen, wenn es um die Oberflächen geht. Im Moment dreht sich ja alles noch um die geeigneten Tiefenstandorte.» Und: «Der Verband führt jederzeit und in vielen Bereichen Kämpfe um den Kulturlandverlust, zum Beispiel im Strassenbau!»

Martin Ott erklärte, dass Widerstand in jeder Phase des Prozesses nötig sei – weil er die Qualität der Arbeit und folglich die Sicherheit steigere. «Das haben alle erlebt, die seit Langem in die Sache hineinsehen. Genau deshalb sagt auch unser kantonaler Sicherheitsdirektor, Markus Kägi von der SVP, bei jeder Gelegenheit: ‹Wehrt euch!›»

Hans Frei betonte, der Bauernverband «rolle nicht den roten Teppich für die Nagra aus». «Aber wir Landwirte sind nur drei Prozent der Bevölkerung, und auch wir konsumieren Strom.»

Basis verbreitern
Mit der Zustimmung zu den Statuten und der Wahl des Vorstands haben die Anwesenden am Sonntag den nächsten Schritt getan. Ob die Stimme von «Like Weinland» im Sachplan gehört wird, hängt auch davon ab, ob sich die (kostenlosen) Mitgliedschaften vermehren. Der Vorstand besteht aus den Landwirten Jürg Rasi (Marthalen), Stefan Rapold (Rheinau), Peter Studer (Oberstammheim) und der Grafikerin Britta Reich (Andelfingen). Aktuell fordert der Verein einen Stop im Sachplanverfahren, bis die auf der Vereinswebsite aufgelisteten offenen Fragen geklärt sind.

 

www.likeweinland.ch

Auch die Einsprache der Bauern erfolglos

Als «weiteres, deutliches Zeichen, dass Bern und der nationale Sachplan Tiefenlager die lokalen Bedenken schlichtweg nicht ernst nehmen» bezeichnete Jürg Rasi die jüngste Post aus dem Bundesamt für Energie. Die betroffene Flurgenossenschaft hatte Einsprache gegen die nächsten Sondierbohrungen gemacht, unter anderem wegen dem Verkehrskonzept. Das Bundesamt habe diese abgelehnt, weil «Flur­stras­sen keine besondere Beziehungsnähe» seien. Auch die Einsprachen der Organisation «Klar! Schweiz» wurden zurückgewiesen – weil deren Rechtssitz mehr als einen Kilometer vom nächsten Bohrstandort entfernt ist («AZ» vom 24.8.). (sm)