Herrin über 350 Völker

Flaach/Wil ZH - Manuela Keller arbeitet hauptberuflich als Imkerin. Sie pflegt die Bienenstöcke nicht nur, sondern züchtet auch Königinnen. Zudem schickt sie einige Völker zum Arbeiten in die Alpen.

Christina Schaffner (cs) Publiziert: 29. April 2025
Lesezeit: 6 min

Es summt im blühenden Obstbaumgarten hinter dem Honig-Verarbeitungsraum der beiden hauptberuflichen Imkerinnen Manuela Keller und Heidi Meyer. Hunderte von Bienen sind unterwegs, um Nektar in den Blüten der Kirsch- und Apfelbäume zu sammeln. «Jetzt beginnt die Hauptsaison für uns», sagt Manuela Keller. Die Honigrahmen, also die Teile der Bienenkästen, aus denen die Imkerinnen die begehrte süsse Masse gewinnen, sind gerade aufgesetzt worden. Während der untere Teil allein den Bienen zur Erhaltung und Vermehrung ihres Volks gehört, entnehmen Imkerinnen und Imker den in den Honigrahmen produzierten Vorrat.

Die in Flaach lebende 40-jährige Manuela Keller arbeitet erst seit 2019 mit Bienen. In der Coronazeit war es zunächst ein Aushilfsjob für sie. Einer, an dem sie hängenblieb, da sie Arbeit und Tiere faszinierten. Ihre damalige Chefin und heutige Geschäftspartnerin Heidi Meyer brachte ihr nach und nach alles Wichtige bei. Als feststand, dass sie hauptberuflich mit Bienen arbeiten wollte, nahm sie an Kursen teil. Nicht, weil dies Pflicht ist, sondern weil sie selbst Grundkurse geben wollte. Denn für die Bienenhaltung gebe es keine Ausbildungs-, nur eine Meldepflicht.

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Bienen sammeln bei milden Temperaturen bereits im Februar Nektar für Honig. | Christina Schaffner

Ausbildung wichtig

Manuela Keller findet aber, dass eine entsprechende Ausbildung bei einem der Imkerverbände nötig sei. In zwei Jahren lerne man dort an 18 Halbtagen alles Wichtige über die Pflege der Bienen. «Immerhin arbeitet man mit Tieren», gibt sie zu bedenken.
 
2022 gründeten die beiden Frauen ihre Firma Bienenheimat, deren Verarbeitungsgebäude im Wilemer Ortsteil Buchenloo in der Nähe von Rafz steht. Es ist der grosselterliche Bauernhof von Heidi Meyer, weshalb sie wenig Kosten und in der ländlichen Umgebung alles haben, was sie brauchen. Die Bienen sind die letzten Tiere, die dort leben. Auch Heidi Meyer kam vor über 30 Jahren auf Umwegen zum Beruf der Imkerin – als sie die Bienen ihres Grossvaters übernahm.

Drei Standbeine sichern den beiden Frauen das Einkommen, um von der Imkerei zu leben. Ihre Honiggläser sind in kleinen regionalen Läden, dem eigenen Hofladen in Buchenloo und auch beim orangen Grossverteiler zu kaufen. Letzterer bestellt jeweils eine ganze Palette mit 1344 Gläsern à 250 Gramm. «Heute können wir die dank der Abfüll- und Etikettieranlage innerhalb von wenigen Stunden bereitstellen», sagt Manuela Keller. Vorher brauchte Heidi Meyer dafür rund 14 Tage. Insgesamt verarbeiten sie pro Jahr mehrere Tonnen Honig.

Zucht von Bienenköniginnen

Ein zweites Standbein sind die Zucht und der Verkauf von Bienenköniginnen. Diesen Bereich deckt vor allem Manuela Keller ab. Ihr ist es wichtig, friedliche Völker zu züchten, was durch die Auswahl der befruchteten Königinneneier, die als Königinnenzellen im Brutschrank heranreifen, gut gelinge. Sie müsse aber aufpassen, dass sie den Schlupftermin abpasse, denn die erste Königin tötet naturbedingt die noch nicht geschlüpften Konkurrentinnen.

In speziellen Kästen wachsen die Königinnen mit einem kleinen Gefolge heran und werden, wenn sie so weit sind, mit der Post mit einigen Arbeitsbienen an die Käufer verschickt. «Es ist wohl das letzte lebende Tier, das so versendet werden darf», meint Manuela Keller. Sie achte darauf, dass sie nicht übers Wochenende irgendwo liegen blieben, weshalb der Versand nur bis Mitte einer Woche erfolge.
 
Ein dritter Firmenbereich sind Führungen und Events, an denen Interessierte das Leben der Honigbienen und die Arbeit der Imkerinnen kennenlernen. «Viele sehen unsere Tätigkeit danach mit grösserem Respekt und haben gleichzeitig weniger Angst vor den Tieren», so Manuela Keller. Manche Firmen lassen auch Honiggläser mit ihrem Firmenlogo bekleben, um sie an Kunden zu verschenken.

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Die Bienenkönigin, markiert mit einem grünen Punkt, legt rund 2000 Eier pro Tag im unteren Teil des Bienenstocks. | Christina Schaffner

Zweiter Beruf

Während der Hauptsaison von März bis Oktober arbeitet Manuela Keller von Sonnenauf- bis -untergang. «Das ist mega schön, aber auch sehr anstrengend», so die gelernte Bäcker-Konditorin – und ein krasser Kontrast zu ihrer früheren beruflichen Tätigkeit. Vor der Pandemie arbeitete sie in Afrika bei einem Missionsprojekt für junge Erwachsene, das Hilfe zur Selbsthilfe bietet.
 
Bei der Arbeit als Imkerin trägt sie immer den Kopfschutz mit Netz sowie Gummihandschuhe. Trotz aller Vorsicht und Beruhigung mit Rauch hat sie jedes Jahr rund 20 Stiche zu beklagen. «Ein wenig gewöhnt man sich daran, aber schön ist es nicht.» Zumal immer auch eine allergische Reaktion folgen könnte. Für solche Fälle, auch bei Führungen, steht ein Notfallset bereit.

Alpenferien zum Arbeiten

Gemeinsam bewirtschaften die beiden Frauen 350 Bienenvölker plus die Zucht. Die meisten stehen in und um Buchenloo, wo die Nachbarn dies positiv unterstützen. Einige Bienenkästen sind in Flaach zu finden. 45 Völker dürfen zudem im Sommer, wenn hier gerade nicht so viele Pflanzen blühen, für einige Wochen nach Brigels in die Alpenferien. Der Aufwand, einmal pro Woche dorthin zu fahren, sei gross, lohne sich aber. Das gebe feinen Alpenhonig, der die Angebotspalette von Blüten-, Creme- und Sommerhonig ergänzt. Waldhonig sei dagegen selten geworden. Viele Fichten wurden wegen des Borkenkäfers gefällt, weshalb die da­rauf lebenden Läuse fehlen. Diese werden für den Honig von den Bienen gemolken.
 
Im Gegensatz zu Wespen sind Bie­nen friedlich. «Sie wollen vor allem arbeiten», weiss die Imkerin. Wenn es nicht genügend Blüten gebe, merke sie das dem Volk an. Dieses sei dann unruhiger – wie auch vor Gewittern. Manuela Keller fasziniert das «tolle Zusammenspiel der Bienen», die nur rund fünf Wochen alt werden – nur die Königin lebt bis zu drei Jahren. In die von Arbeitsbienen angelegten Waben legt die Königin ihre Eier, rund 2000 pro Tag. Je nach Grösse der Wabenzellen wachsen darin neue Arbeitsbienen oder die männlichen Drohnen. Letztere werden nur für die Begattung gebraucht: Beim Begattungsflug paart sich eine Königin mit 10 bis 15 Drohnen. Den Samen hat sie dann für den Rest ihres Lebens.

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Imkerin Manuela Keller kontrolliert den Bienenstock. Wenn die Waben im aufgesetzten Honigrahmen verschlossen sind, ist der Honig erntereif. Der untere Teil des Stocks dient dem Volk zur Vermehrung. | Christina Schaffner

Gemeinschaft steht über allem

Wird ein Volk zu gross, entscheide die alte Königin, mit einem Teil der Bienen auszufliegen und einen neuen Ort zu suchen. «Aber nur dann, wenn am alten Ort das verbleibende Volk weiterlebt», so Manuela Keller. Die Gemeinschaft stehe im Bienenvolk über allem. «Vielleicht könnten wir Menschen noch davon lernen», gibt sie zu bedenken. Egoismus suche man dort vergebens.

Manchmal kann in der Nähe von Bienenstöcken das Ausschwärmen der alten Königin mit einem Teil ihres Gefolges beobachtet werden. «Keine Angst, die sind sehr friedlich, da sie Futter im Magen haben», erklärt die Fachfrau. Für den Imker, der versäumt hat, ihnen mehr Raum zu bieten, sei das aber ein Zeitpunkt, an dem er schnell sein müsse. Dann sei es nötig, der Königin und ihrem Volk einen neuen Stock zu bieten. Macht er das nicht, fliegen sie weiter und suchen sich irgendwo im Wald einen hohlen Stamm. Dann gibt es für den Menschen nichts mehr zu ernten.

Hilfe für Bienen

Wer nicht nur den Honigbienen in seinem Garten Lebensraum bieten möchte, sollte morsche Baumstämme und Sandhaufen platzieren. Die bekannten Insektenhotels bieten nur für rund zehn Prozent der Wildbienen eine Unterkunft. Bienenfreundliche Pflanzen ergänzen das Bild, das auch dem Auge des Gärtners gefällt. Kleine Blühstreifen oder Thymian sind sehr willkommen bei den Insekten. Wer Bienenkästen der Imker öffnet, beschädigt oder das Flugloch verschliesst, begeht strafrechtlich Hausfriedensbruch. Weitere Informationen über Bienen liefert auch das Bienen-ABC, das die AZ am 26.4.2019 abgedruckt hatte. (cs)