Weinland

Internationale Afro-Pfingsten mit lokalem Nachwuchs

Jenny Gasser alias «Kitoko» ist in Ossingen aufgewachsen. Von klein auf fuhr sie mit der Familie an die Afro­-Pfingsten. Dass sie selbst mal auf einer der Bühnen stehen würde, hätte sie bis vor Kurzem höchstens geträumt.

von Silvia Müller
03. Juni 2022

Sucht man auf Youtube nach «Kitoko» , erscheint zuoberst ein Hip-Hop-Sänger, der in Ruanda offenbar seit 2010 Erfolge feiert. Ihm dicht auf den Fersen folgt aber eine junge Frau mit dem gleichen Künstlernamen. Diese «Kitoko» ist in Ossingen aufgewachsen und büffelt unter ihrem bürgerlichen Namen Jenny Gasser nach einer Optikerlehre momentan berufsbegleitend für die Maturität. Ihr Ziel sei aber, schon bald zuoberst auf der Youtube-Liste zu erscheinen, sagt sie halb im Scherz, halb im Ernst. Daran arbeitet sie seit mehreren Jahren konzentriert in ihrer Freizeit.

Seit Juni 2021 hat sie drei Music-Clips und zwei unverfilmte Songs veröffentlicht. Fürs Telefoninterview schert sie aus dem Stau aus und parkt am Stras­senrand – sie komme direkt von der Arbeit und sei auf dem Weg ins Studio. «Schon diesen Sommer kommen zwei weitere Songs raus, wir sind voll an der Arbeit», sagt sie am anderen Ende der Leitung. Und ein weiterer Riesenschritt steht schon in drei Tagen bevor: Ihr zweiter «richtig wichtiger» Live-Auftritt. Corona hat sie diesbezüglich ausgebremst. Doch nun geht es im Rahmen der Afro-Pfingsten weiter.

Auftritt im legendären Albani
Am Pfingstmontag ist Kitoko einer von zwei Acts im legendären Konzertclub Albani an der Steinberggasse. Sie sei  «eine Sängerin, die für Power, Self-Love, Kreativität und Melodies steht», steht im Programm, und so ähnlich antwortet sie mir nun auf die Frage, ob sie etwas Bestimmtes erreichen wolle mit ihrer Musik. Sie wolle mit ihren Songs sagen: «Sei nett zu dir selbst. Erwarte nicht, dass du alles perfekt machen kannst. Hab einfach Power und werde zur besten Version deiner selbst.»

Als Teenager habe sie Gedichte geschrieben. Etwas später habe sie ihre Texte dann eher gerappt, und bald darauf in Melodien gefasst. «Mein erster richtiger Song entstand als Abschlussarbeit an der Sek Ossingen, von da an hat es mich gepackt.»

Heute arbeitet sie mit den Musikproduzenten Lav Beatz und Deejay Mkey zusammen, die sich um die elektronisch produzierte Musik und die Studioarbeit kümmern. Um das Marketing kümmert sie sich bislang noch selbst. Kitoko liefert die Texte, die Melodien, die Pop-Stimme und die Frauengestalt für die Videos – eine schöne Frau, mal verführerisch, mal Kumpel, mal traurig, mal aufgekratzt. Und immer in Bewegung.

Ihr Künstlername bedeutet in der afrikanischen Sprache Lingala schlicht «das Schöne». Und das passt. Diese Schönheit wird in den Videos zwar gewinnbringend eingesetzt, aber man sieht auch ungeschminkte Momente.

Ihr Ziel damit: Authentisch sein – immer nur perfekt gestylt vor der Kamera zu stehen, wäre unrealistisch. «Wir alle haben unsere Ups and Downs, Schwächen und Stärken, Tage, an denen wir total selbstbewusst sind, und natürlich auch das Gegenteil», sagt sie.

Die Startrampe für sich genutzt
«Melody» war Kitokos erster Clip im Netz. Er entstand im Förderprojekt «Next Up Studios» der Schweizer HipHop-Plattform «Lyrics Magazin» (die ihrerseits als Produkt einer Maturarbeit gegründet worden war). Zehn Nachwuchskünstlerinnen und -künstler bekamen Support für ihren Song-Entwurf und Zugang zu Studio und Drehteam.

«Für mich war es eine tolle Erfahrung, mit dabei sein zu können», erzählt sie. Sie finde es unglaublich wichtig, dass es solche Formate für Newcomer gebe, denn es gebe so viele talentierte Künstler, von denen man leider noch viel zu wenig höre. Im Rückblick erinnert sie sich besonders an das Gefühl ganz vieler «erster Male»: Überhaupt vor fremden Leuten einen eigenen Song zu singen, vor Kameras etwas abzuliefern, die Fragen von Zeitungs- und Radiojournalisten zu beantworten.

Ebenso wichtig: Sie vernetzte sich weiter. In der Clip-Regisseurin und -produzentin des Next-Up-Projekts fand sie eine Gleichgesinnte, mit der sie auch unter eigener Flagge weiterarbeiten wollte. Mit Gianna Binelli entstanden seither die Clips zu «All In» und «Crazy», unter anderem auch in einer Autowaschanlage im Weinland.

Im Albani wird sie gemeinsam mit ihren beiden Produzenten auf der Bühne stehen, die bei den Live-Shows als DJs fungieren. Im 40-minütigen Set präsentieren sie auch unveröffentlichte Songs.

Pfingstmontag, 6. Juni, 20 Uhr: Zwei Konzerte von FlexFab & Ziller Bas (Schweiz/Kenya) und Kitoko. Albani, Steinberggasse 16, Winterthur. www.albani.ch

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite

Zeitung Online lesen Zum E-Paper

Folgen Sie uns