Weinland

Kleiner Ort, grosses Kraftwerk

Fast zehn Jahre plante Florian Gut sein «Lebensprojekt» praktisch im Alleingang: ein multifunktionales Kraftwerk im Ortsteil Desibach. Kürzlich wurde der Motor geliefert, Ende Jahr wird es in Betrieb genommen.

von Christina Schaffner
06. Oktober 2020

Holzvergasungsanlagen in der Bauart, wie Florian Gut sie derzeit auf seinem Hof aufstellt, gibt es in der Schweiz noch nicht. Deshalb ist diese etwas Besonderes und wird von der Klimastiftung Schweiz, der Landwirtschaftlichen Kreditkasse und der Zürcher Kantonalbank als Vorzeigeprojekt unterstützt. Speziell ist der mehrfache Nutzen: Durch Holzschnitzel wird Strom, Wärme und Pflanzenkohle erzeugt – ohne Abfallprodukte. Das fasziniert und überzeugt Florian Gut gleichermassen: «Wir sollten die Energiewende endlich in Angriff nehmen und nicht nur darüber reden», ist seine Überzeugung. Deshalb packt er an und investiert viel – nicht nur Geld.

Eher zufällig durch einen Schul­kollegen stiess der gelernte Landma­schinenmechaniker auf diese Art der CO2-neutralen Stromerzeugung. Als er Agrarwissenschaft und Unternehmensführung am Strickhof studierte, besichtigten sie gemeinsam eine solche Anlage. Da der eigene Landwirtschaftsbetrieb über eine grosse Waldfläche verfügt, hat ihn die Möglichkeit nicht mehr losgelassen, aus Holz Strom zu produzieren.

Projekt schon 2012 angemeldet
In den letzten zehn Jahren folgten viele weitere Besichtigungstouren in Nachbarländern. Überzeugt vom Konzept meldete er sein in Planung befindliches Kraftwerk bereits 2012 bei einem Förderprojekt für nachhaltige Energiegewinnung an, um eine angemessene Einspeisevergütung zu bekommen. Zuerst sei er auf der Liste weit hinten gewesen.

Er habe sich jeweils gefreut, beim Besuch der Website zu sehen, wie das Projekt über die Jahre nach vorne rutschte. Steil aufwärts ging es, nachdem das Baugesuch 2016 bewilligt worden war. «Die definitive Zusage der Einspeisevergütung kam aber erst 2019, nach sieben Jahren Wartezeit», fügt er an. Nun hat er die Zusage, für 20 Jahre den Strom zu einem fixen Preis liefern zu können. «Das gibt Sicherheit bei der Kalkulation und Finanzierung.»

Bauherr und Projektverfasser
Geplant hat Florian Gut die Bauarbeiten zu einem Grossteil selbst. «Mein Hobby ist das 3D-CAD-Zeichnen», sagt er. Im Baugesuch stand deshalb als Bauherr, Projektverfasser und Grundeigentümer nur sein Name. Speziell für die Abwärmenutzung ausserhalb der Heizsaison betrieb er grossen Aufwand bei der Planung einer komplexen und automatisierten Trocknung. Als grosser Brennholzproduzent der Region wollte er die Niedertemperatur auch für die Trocknung seiner Holzscheite nutzen. Aber er kann mit der Abwärme auch viele weitere landwirtschaftliche Produkte trocknen. Die eigentliche Holzvergasungsanlage im Gebäude konzipierte dann aber hauptsächlich der Hersteller Syncraft aus dem Tirol: «Erstmals mussten sie auf so kleinem Raum planen», sagt er schmunzelnd.

Insgesamt brauchte Florian Gut in all den Jahren für sein «Lebensprojekt» Hunderte Stunden für die Planung und hatte Kontakt zu unzähligen Ämtern. Für eine Anlage, die es bisher in der Schweiz noch nicht gibt, ist der Aufwand ungleich höher als für normale Baugesuche.

Für das Holzkraftwerk musste Florian Gut einen Teil seiner bestehenden Maschinenhalle umgestalten, auch wenn auf Landwirtschaftsland der Bau von Anlagen zur Energieerzeugung aus Biomasse erlaubt ist. Das Holzschnitzellager entsteht daneben grösstenteils unterirdisch. Die nassen Holzschnitzel werden dort durch einen Teil der Abwärme der Anlage getrocknet. Erst dann kommen sie in den Holzvergaser, das Herzstück der Anlage, wo das Gas herausgelöst, gefiltert und abgekühlt wird. Das Gas versorgt dann den letzte Woche gelieferten Motor, der wiederum einen grossen Generator zur Stromproduktion antreibt. Rund fünf Prozent der erzeugten Energie seien für den Eigenstrom der Anlage nötig. «Der hohe Wirkungsgrad hat mich überzeugt», so Florian Gut, der eine solche Pilotanlage in Österreich besichtigte, die bereits seit fünf Jahren erfolgreich betrieben wird.

Nebenprodukt Holzkohle
Was nach der Vergasung der Schnitzel noch übrig bleibt, ist feine, im Pyrolyseverfahren erzeugte Holzkohle. Diese kann als Bodenverbesserer eingesetzt werden. Wenn die Holzkohle bei Labor­untersuchungen gut abschneide, keine Schwermetalle gefunden würden und sie in die höchste Güteklasse eingestuft werde, könne er dieses Nebenprodukt zur Beimischung in Viehfutter verkaufen, so Florian Gut. Dabei habe er aber nicht im Sinn, dem Auenpflegedienst (APD) in Flaach, der seit letztem Jahr eine Pyrolyseanlage betreibt, Konkurrenz zu machen. «Im Gegenteil», betont er. «Wir sind zusammen im Verein AgroCO2nzept Flaachtal und können uns eine Zusammenarbeit in der Vermarktung vorstellen. Die Kohlen weisen unterschiedliche Eigenschaften auf und ergänzen sich so ideal.» Ziel ist, dass die Kohle am Schluss im Boden landet, wo sie CO2-negativ speichert.

Strom für 450 Haushalte
Hauptziel seiner Anlage ist aber die Stromerzeugung. «Der Strom reicht für rund 450 Haushalte.» Das sind etwa so viele wie es in Buch am Irchel gibt (derzeit 430). Bei so grossen Einspeisemengen ist auch das Elektrizitätswerk gefordert: Derzeit werden in Desibach die Stromleitungen in die Erde verlegt und ein neues Trafohäuschen gebaut.

Strom und Holzkohle sind aber nicht die einzigen Produkte, die die neue Anlage liefert: Die Abwärme kann Florian Gut auch zusätzlich zum Heizen nutzen. Das Mehrfamilienhaus seiner Eltern wird zukünftig damit gewärmt und auch die Zimmerei seines Bruders sowie die eigenen Betriebsgebäude. Eventuell könnten auch weitere Abnehmer angehängt werden.

Bedenken, irgendwann nicht mehr genügend Holzschnitzel zu finden, hat er nicht. «Wir können auch gut Holz aus der Landschaftspflege verwenden, das im Sommer beim Zurückschneiden von Strassenrändern entsteht.» Auch Reste wie Sägemehl und kleine Holzstücke, die bei seiner Brennholzproduktion unter dem Label «Holz­energie Gut» entstehen, werde er verwenden. Nachhaltige Waldwirtschaft sei ihm wichtig – die Holzschnitzel werden aus einem 15-Kilometer-Radius zur Anlage kommen.

Die Inbetriebnahme kann Florian Gut kaum noch abwarten. Zuvor werden aber allein einen Monat lang nur Leitungen verlegt und sonst alles fertig gebaut. Den Startknopf hofft er dann zur Jahreswende betätigen zu können – ohne Angst, dass es nicht funktioniert.

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