Weinland

Lauter Designs voller Hintergedanken

Die aus Trüllikon stammende Judith Kolb kann an der Messe Designgut ihre Lederwaren anbieten – und mit ihr 73 weitere Schweizer Labels, die Nachhaltigkeit, Schönheit und Einzigartigkeit zu vereinen wissen.

von Silvia Müller
27. Oktober 2020

Judith Kolb wartet etwas unruhig auf die bundesrätliche Verlautbarung vom nächsten Mittwoch. Wird dann die viertägige Verkaufsmesse Designgut im Casinotheater im letzten Moment verboten? Für die 74 kreativen Schweizer Kleinstbetriebe, die dort ausstellen, wäre es ein harter Schlag.

Judith Kolb präsentiert dort jeweils alle ihre Einzelstücke, denn sie weiss: Die Messebesucherinnen und -besucher im Casinotheater sind Kunden, die wissen, was sie wollen, und es vor dem Kauf gerne begutachten. An der Designgut finden sie eine Querschau durch das aktuelle Schaffen in der Schweiz in Sachen Mode, Accessoires, Schmuck, Keramik und Möbel. Und alles aus Kleinfirmen, die sich zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und zu langlebigen Produkten verpflichten.

Handverlesenes Leder
Judith Kolb ist ein Einfrau-Betrieb, vom Design übers Zuschneiden, Nähen und Vermarkten macht sie alles selber. Das Leder ausschliesslich europäischer Herkunft kauft sie in der Schweiz ein. Besondere Freude macht ihr das weiche Rohleder vom regionalen Bio-Milchschaf, das schonend in der Schweiz gegerbt wird, und ihr jedes Jahr nur in begrenzter Menge zur Verfügung steht. Die anderen Qualitäten kauft sie in Lederwarenfabriken und im Grosshandel ein. «Dort werden Häute mit kleinen Fehlern aussortiert. Für die Industrie sind sie nicht gut zum Verwerten, für mich aber ideal», erzählt sie. Weil sie ohnehin nie zweimal das gleiche Stück herstelle, könne sie den weniger perfekten Stellen einfach ausweichen.

Aufs Leder konzentriert sich Judith Kolb erst seit 2014. Vorher lag ihr Schwerpunkt auf Textilien. Sie absolvierte dafür eine Modedesignausbildung und arbeitete lange als Kostümbildnerin in der Theaterbranche. Inzwischen ist sie vierfache Mutter, da sind grosse Bühnenprojekte eine weniger realistische Option: «Als Kostümbildnerin übernimmt man ‹grosse Kisten› und ist viel weg. Das ist kreativ, aber kaum mit der Familie vereinbar».

Was nicht heisse, dass sie nun nur dann ins Atelier im Dachgeschoss steige, wenn ihr der Alltag zufällig etwas freie Zeit lasse. Sie hat schon über tausend Taschen verkauft, das geht nicht auf Hobby­basis. Jeden Tag plant sie feste Zeiten dafür ein, und vor Ausstellungen arbeitet sie in jeder freien Minute.

Auch ihre Textilien sind nachhaltig
Auch die Kleidung für Erwachsene und Kinder auf ihrer Website ist nicht nur schön, sondern auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, zum Beispiel aufs ‹Mitwachsen›. «Ich verwende möglichst Secondhandstoffe, auch bei den textilen Teilen der Rucksäcke und Taschen», erklärt sie. Es sei lange her, dass sie neuen Stoff am Meter gekauft habe.

Das Umfunktionieren, Umnähen, Ausschlachten und Aufwerten von bestehenden Textilien gefalle auch den Kundinnen und Kunden. «Es kommt vor, dass mir jemand als Futterstoff seiner Tasche sein früheres Lieblingskleidungsstück vorbeibringt. Viele schätzen es, jedes Detail persönlich auszusuchen.»

So auch sie: Zu jedem Ausstellungsstück wird sie an der Designgut-Messe mindestens eine Geschichte erzählen können: Woher das Leder kommt, was der Futterstoff früher einmal war …

«In den letzten Jahren ist das Bewusstsein der Menschen für den Wert von Unikaten mit eingearbeiteten Erinnerungen sehr gestiegen», sagt sie. Vielleicht sei es auch genau andersrum – vielleicht stecke sie mit ihrer Freude daran auch ihre Kunden an. «Jedenfalls springt meine Leidenschaft für die Kreationen offensichtlich leicht auf andere Menschen über.» Nicht selten entscheiden sich Leute, die eigentlich gar keine Tasche gesucht hatten, spontan zum Kauf. «Als ob die Tasche endlich ihren richtigen Besitzer gefunden hätte, und nicht umgekehrt», sagt sie und lacht.

Hoffentlich klappts diesmal
Dieses Jahr wurden alle von ihr eingeplanten Märkte und Messen abgesagt. Umso mehr hofft sie, dass ab Donnerstag die «Designgut» unter Einhaltung der Vorschriften durchgeführt werden kann. «Natürlich können die Kunden auch auf meiner Website kaufen oder sich für einen Spezialauftrag melden. Aber das Leder zu riechen und das Traggefühl zu spüren, kann man nicht durch Klicks und Scrollen ersetzen.»

www.designgut.ch, www.judithkolb.ch

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