Lernhilfe: gratis und ohne Anmeldung

Region - Das Angebot der Lern­stuben on Tour ist niederschwellig und richtet sich an Erwachsene im Erwerbsalter. Neu erhalten sie im Bezirk Hilfe beim Lesen und Schreiben oder beim Umgang mit Handy und Computer.

Christina Schaffner (cs) Publiziert: 14. November 2025
Lesezeit: 3 min

Ein Mann kommt am Dienstagmorgen mit seinem Laptop unter dem Arm ins Kafi Liesowski. Nicht, um dort zu arbeiten, sondern um sich in der Lernstube on Tour Unterstützung bei der Bedienung zu holen. Sie seien da, um beim Lernen zu helfen, sagt die an diesem Morgen anwesende Lehrperson. Sie zeigt, wie Fotos abgespeichert, Computer und Handy miteinander verbunden und Apps bedient werden können.

Die Lernstube on Tour ist ein kostenloses und niederschwelliges Angebot hauptsächlich für Personen von 18 bis 65 Jahren. Seit Oktober macht sie im Bezirk regelmässig Station: im Kafi Liesowski im Ossinger Bahnhof und bei der Standortförderung Zürcher Weinland im Andelfinger Bahnhofsgebäude. Ohne Anmeldung erhalten Erwachsene Unterstützung beim Lesen und Schreiben von Briefen, Formularen oder sonstigen Dokumenten (Andelfingen) oder beim Umgang mit Handy und Computer (Ossingen). Finanziert werden die Lernstuben über die Fachstelle Grundkompetenzen von Bund und Kanton, umgesetzt von Akrotea.ch, einem Unternehmen, das sich auf Bildung spezialisiert hat.

30 Prozent haben Probleme

Laut dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt, dem die Fachstelle angehört, zeigt die neueste PIAAC-Studie, dass von knapp 1,25 Millionen Personen zwischen 16 und 65 Jahren in der Schweiz viele Defizite in den Grundkompetenzen haben – schlecht lesen können (22 Prozent), Alltagsmathematik ungenügend beherrschen (19 Prozent) oder Probleme nur unzureichend bewältigen können (25 Prozent). Fast 30 Prozent der an der Studie Beteiligten haben in mindestens einem Bereich Schwierigkeiten. Auf den Kanton Zürich heruntergebrochen heisst das, dass knapp 300'000 Menschen in einem der drei Bereiche geringe Fähigkeiten aufweisen und rund 150'000 in allen drei Bereichen über ungenügende Grundkompetenzen verfügen.

Mehrere Förderprogramme unterstützen diese Menschen im Alltag und in der Arbeitswelt. «Oft sind die finanziellen Mittel, um an Bildungsangeboten teilzunehmen, nicht vorhanden», sagt Myriam Hofmann von der Fachstelle Grundkompetenzen Erwachsene beim Mittelschul- und Bildungsamt. Personen mit Defiziten werden beim Wiedereinstieg in eine persönliche Bildungslaufbahn oder beim Anschluss an eine berufliche Nachholbildung sowie bei der Bewältigung der digitalen Entwicklungen unterstützt. Eines der geförderten Angebote sind die Lernstuben, die einen niederschwelligen Zugang zu Lernangeboten in gemütlicher Atmosphäre bieten und die Lust am Lernen wecken sollen.

Individuelle Lernbegleitung

Die Lernbegleitung erfolgt individuell durch Fachpersonen, die in der Erwachsenenbildung ausgebildet sind. «Die Besuchenden sind sehr unterschiedlich: Menschen mit Deutsch als Erstsprache ebenso wie solche mit Migrationshintergrund», sagt Sabrina Di Bella, Bereichsleiterin Bildung bei Akrotea.ch. Die Lernstuben seien als wiederkehrende Lerngelegenheiten gedacht, die viele regelmässig nutzten. «Wir leisten alltagsnahe Unterstützung, keinen Unterricht im klassischen Sinn.» Begleitet werden Besuchende beim konkreten Tun, wobei die Selbständigkeit Schritt für Schritt gestärkt wird.

Die Standortförderung Weinland überzeugte dieses Konzept, weshalb sie nach der Anfrage durch das Mittelschul- und Berufsbildungsamt nicht nur ihre eigene Infrastruktur am Donnerstagnachmittag für die Lernstube on Tour zur Verfügung stellt. Sie organisierte auch die zweite Möglichkeit am Dienstagmorgen in Ossingen. «Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte in der Region sollen durch dieses Angebot gestärkt werden», sagt Fabienne Gander. Aber natürlich auch jeder einzelne Nutzer: «Wenn die Grundkompetenzen beherrscht werden, kann der Alltag selbstbewusster bewältigt werden.»

Während das Angebot der Handy- und Computerschulung in Ossingen bereits gerne genutzt wird, ist der Zulauf bei der Lese- und Schreibunterstützung noch gering. «Die Lernbegleitung braucht Zeit, bis sie eta­bliert ist», sagt Fabienne Gander. Um dar­auf aufmerksam zu machen, arbeitet die Standortförderung Zürcher Weinland mit Behörden und Ämtern wie dem Zen­trum Breitenstein zusammen, wo sie das Projekt vorgestellt haben. Zudem laufe viel über Mundpropaganda. Und über Flyer sowie andere Werbung – damit alle, die wollen, sich entsprechend weiter­bilden können.

Andelfingen: Lesen und Schreiben, donnerstags 13 bis 16 Uhr, Standortförderung Zürcher Weinland, Bahnhofsgebäude. Ossingen: Handy und Computer, dienstags 9 bis 12 Uhr, Kafi Liesowski, Bahnhof
Lernstuben im Kanton

Im August 2020 öffnete die erste Lernstube, ein niederschwelliges, kostenloses Angebot für Erwachsene, sich individuell helfen zu lassen. Heute gibt es sieben Lernstuben an acht festen Standorten im Kanton Zürich: Zürich Altstetten, Zürich Oerlikon und Affoltern, Kloten, Dübendorf, Bülach, Wetzikon und Winterthur. Ergänzt werden sie durch acht Lernstuben on Tour, die an einzelnen Tagen vor Ort sind: Andelfingen, Embrach, Dielsdorf, Oberglatt, Ossingen, Pfäffikon, Thalwil, Uster. Je nach Bedarf wird ein flächendeckendes Netz bereitgestellt. Alle Lernstuben sind kostenlos und ohne Anmeldung nutzbar. Es gibt vier Arten von Lernstuben: Lesen und Schreiben, Handy und Computer, Bewerbungen sowie Schreibdienst und Beratung. (cs)