Weinland

Liebe ohne Happy End

Die Premiere des Freilichtspiels «D’Rotlaub­buech» ist geglückt: 800 Zuschauer spendeten stehend Applaus. Das Spiel um Liebe und Brudermord überzeugt.

von Christina Schaffner
17. Juli 2018

Es blitzt und donnert, heftiger Regen mit Hagel ist zu hören. Die 800 Zuschauer auf der voll besetzten Tribüne verfolgen am Freitagabend, wie die Träume der Hauptdarsteller Meret (Eva Neubauer) und Chueri (Robert Steiner) innert Minuten zerstört werden: Die gerade noch gelöste, freudige Stimmung des Liebespaares verwandelt sich in Enttäuschung und Trauer. Sie hätten heiraten dürfen, wenn es in dem Jahr reiche Ernte gegeben hätte. Das Korn stand gut – bis der Hagel kam.

Diese Szene aus dem Freilichtspiel «D’Rotlaubbuech» ist eine Schlüsselszene des Stücks. Regisseur Thomas Ganz schrieb das bereits 1989 und 1991 an der Stammbuche der Gemeinde aufgeführte Theater um, modernisierte Texte und Szenen, ohne den Charme und die Zeit zu vergessen, in der es spielt. Vor 400 Jahren, Mitte des 17. Jahrhunderts, zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges, sprachen die Menschen anders miteinander, waren andere Werte wichtig als heute. Thomas Ganz gelingt eine tolle Verbindung zur heutigen Zeit durch den Grossvater (Reini Ganz) und seine Enkelin Lara (Nora Frei), die das Stück auf der Bühne aus der heutigen Sicht betrachten. Er erklärt Lara, wie das Leben damals war. Brillant spielt vor allem Nora Frei ihre Rolle – natürlich, spontan und mitreissend.

Wie die Blutbuche entstand
Damals war es nicht einfach für die Bauern in Buch am Irchel. Die Abhängigkeit vom Wetter war gross, die Standesunterschiede enorm. War das Wetter schlecht, gab es keine Ernte und ­damit nichts zu essen. Wer reich genug war, konnte trotzdem gut leben, den Armen blieb nichts. Die Hauptdarsteller Meret und Chueri kommen aus unterschiedlichen Häusern: Meret ist Tochter des Zehntmeisters (Erwin Gut), der seine Tochter gut und reich verheiraten will. Chueri ist Sohn eines armen Bauern. Sie lieben sich und dürfen doch nicht zusammenkommen. Nach dem Unwetter verdingt sich Chueri mit seinem Bruder Chlyjogg (Nico Gemperle) als Soldat, um seinem Kummer zu entkommen. Als beide nach zwei Jahren zurückkehren wollen, geraten sie kurz vor dem Ziel wegen des Hungers in Streit, in dessen Folge Chueri stirbt. Sein Blut, so die Sage, verfärbt die Blätter der Stammbuche rot – sie wird zur Blutbuche. Gespielt wird heute zwar nicht mehr unter der alten Buche, die 350-jährig vor zehn Jahren einem Sturm zum Opfer fiel. Ihre Nachfolgerin ist mit ihren 80 Jahren aber auch schon ein stattlicher Baum.

Flüchtiges Glück
Thomas Ganz hat es in den letzten zwei Jahren geschafft, ein bewegendes Stück auf die Beine zu stellen, das durch besondere Effekte, aber vor allem durch die Spielfreude der Laienschauspieler überzeugt. Gebannt verfolgt der Zuschauer die tragische Geschichte der beiden Liebenden, die nicht zu einem Happy End führt. Das Gesamtpaket stimmt: Mitten im Wald gelegen, eingestimmt durch ein Vorspiel, das das Leben der Bauern in der damaligen Zeit zeigt, entschwinden die Gäste für den Abend der hektischen Gegenwart, um am Ende zu erkennen, dass doch nicht alles anders ist: Auch heute ist das Glück noch flüchtig.

Nach der Vorstellung dankte Thomas Ganz dem Publikum: «Zwei Jahre haben wir auf diesen Tag hingearbeitet. Heute bin ich überglücklich.» Dieses kleine Flämmchen des Glücks wolle er schützen und mit den 32 Schauspielern, 27 Chormitgliedern und Statisten sowie weiteren 160 Helfern weitertragen und hoffen, dass auch die kommenden Vorstellungen so erfolgreich sein werden wie die erste.


Weitere Vorstellungen bis 5. August. Infos und Reservierungen: www.rotlaubbuech.ch

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