Warum soll eine Schule gut 2000 Franken ausgeben für eine Woche Kletterwand in der Turnhalle? Diese Frage stellte sich in Neunforn am Dienstagnachmittag bestimmt niemand. Die Konzentration war gerade ganz woanders gefragt. Die Eltern und Grosseltern am Boden achteten aufs Seil, an dem sie ihren Nachwuchs in luftiger Höhe sicherten. Die Kinder in der Kletterwand suchten nach dem nächsten guten Halt für Hände und Füsse. Und die Kinder, die am Boden auf ihren Einsatz warteten, beobachteten, wie sich ihre Freundinnen und Freunde den Weg suchten.
Diese Frage stellt sich auch die Schulleiterin Monika Binotto nicht mehr. Die mobile Kletterwand des Schweizerischen Alpenclubs (SAC) und der SAC-Betreuer und Jugendverantwortliche Christoph Berger sind nicht zum ersten Mal in Neunforns Mehrzweckhalle. «Soeben haben wir beschlossen, das ab jetzt regelmässig alle drei Jahre zu wiederholen», erzählte die Schulleiterin. So bekämen alle Kinder vom Kindergarten bis zur sechsten Klasse zweimal die Gelegenheit: «Die Kinder finden die Kletterwoche super und wollen sie auch. Sie finanzieren sie sogar – mit den Altpapiersammlungen.»
Cash aus Altpapier
In der Tat waren an diesem Nachmittag freiwillige Erwachsene zum Sichern aufgeboten – das wäre eigentlich die Aufgabe der starken Mädchen und Buben der fünften und sechsten Klasse. Die mussten leider aber gerade Geld verdienen. Sie zogen mit Leiterwagen durch die Ortsteile und holten die Papierbündel vor den Haushalten ab. Überhaupt müssen in der Kletterwoche alle mal helfen oder Hilfe in Anspruch nehmen. Das fängt schon beim Aufstellen der vier Kletterspuren am Montagmorgen an. Christoph Berger ist jeweils auf die Hilfe der fünften und sechsten Klasse und auch einiger Väter und Mütter angewiesen. «Das klappt in Neunforn bestens. Allgemein sind auf dem Land immer genug Freiwillige zur Stelle. In der Stadt ist das nicht immer so», erzählte er. Er muss es wissen, denn das SAC-Schulangebot wird regelmässig von 25 Schulen gebucht, von vielen sogar jedes Jahr.
Drei Lektionen, viele «Ahas»
Jede Klasse durfte drei Lektionen lang klettern. Die grösseren Kinder verbrachten etwas mehr Zeit in der Halle, denn sie dürfen auch Verantwortung beim Sichern der jüngeren Klassen übernehmen. Sie können den Kleinen auch schon mal Tipps geben und ihnen vom Boden aus den nächsten Schritt vorschlagen. «Kinder leben vom Visuellen, sie lernen vom Abgucken», sagte Christoph Berger. Von dem, was er selbst vormacht, aber auch von dem, was die anderen Kinder in der Kletterwand vormachen.
Ohne Christoph Bergers Kontrolle des Klettergstältlis kletterte allerdings niemand los. Auch nach dem Okay des Kletterlehrers blieben manche Kinder zuerst ängstlich. Das sei jedes Jahr so, sagte Monika Binotto. «Am Anfang haben immer einige Angst, doch bis Ende der Woche wagen es dann alle.» Dieses Überwinden der Angst sei zudem nicht die einzige positive Erfahrung der Schulkinder: «Sie lernen, Vertrauen ineinander zu haben. Und sie merken aus eigener Erfahrung, wie wichtig sich ihre eigene Zuverlässigkeit für das Kind in der Wand anfühlt.»
Tipptoppe Grundeinstellung
Auch SAC-Betreuer Christoph Berger sagt, beim Projekt «climbing@school» gehe es weniger um den Klettersport und schon gar nicht darum, zukünftigen Nachwuchs fürs Nationalkader zu finden. Es gehe viel mehr um all die sozialen Kompetenzen, die rundherum nötig seien. Eben um die Themen Angst aushalten und überwinden, Vertrauen, sich trauen, und um «die Erfahrung, dass helfen cool ist.»
Er frage die Kinder jedes Mal nach dem anstrengenden Auf- und Abbau, wie sie diese Arbeit gefunden hätten. «Sie sagen immer das Gleiche: Zusammen arbeiten und einander helfen war cool!» Das ist doch schon mal eine tipptoppe Grundeinstellung. Hilft definitiv auch beim gemeinsamen Schleppen der Altpapierbündel zum Finanzieren der nächsten Kletterwoche.
Mehr als nur ein wenig kraxeln