Weinland

Modellieren verliert seinen Reiz nie

Gabriella Greis modelliert seit mehr als 20 Jahren Figuren aus Ton. Warum ihr das nie langweilig wird und sich immer noch Plätzchen für ihre Werke finden, zeigt ein Atelierbesuch.

von Silvia Müller
24. Januar 2023

Früher war es ein Kinderzimmer, jetzt ist es ein Atelier. Auf dem Tisch steht eine unfertige Katzengestalt aus feuchtem Ton. Gestern hat Gabriella Greis an der Katze gearbeitet und sie am Abend luftdicht eingepackt, um heute weiterzumachen. «Ausgerechnet jetzt, wo die Zeitung zu Besuch kommt, ist mir etwas sehr Seltenes passiert – der Kopf ist über Nacht abgebrochen», sagt sie und lacht über das Missgeschick, das sonst eher Anfänger ereilt. «Zum Glück ist Ton so ein tolles Material. Das macht überhaupt nichts. Ich kann den Kopf einfach wieder anmodellieren.»

Den Rohstoff Ton lernte sie schon in der Primarschule in Neuhausen kennen. Wie bei so vielen Menschen legte ein Lob in der Kindheit den Grundstein für späteres Können: «Der Lehrer fand damals meinen Bären so toll, dass er ihn im Lehrerzimmer herumzeigte.»

Doch zunächst traten andere Dinge in den Vordergrund: Die KV-Lehre, die Arbeit, die eigene Familie. Erst seit etwas mehr als 20 Jahren nimmt sich Gabriella Greis wieder regelmässig Zeit fürs Modellieren und besucht Kurse bei Heidi Aregger in Thayngen. Längst nicht mehr, weil sie Anleitung nötig hätte, sondern aus Freude am Kontakt mit anderen Begeisterten.

Geschirr drehen ist nicht ihr Ding
Den Kaffee serviert sie allerdings nicht in irdenen Tassen. Fast alles Geschirr in ihrer Küche ist Industrieware. «Das Drehen mit der Töpferscheibe hat mich nie gepackt. Erstens ist es sehr schwierig und braucht ständige Routine, und zweitens macht es ziemlich viel Dreck und Spritzer.» Sie modelliert lieber, überwiegend Tierfiguren aus schamottiertem Ton. So sind der Masse für das zottelige Highlandrind grob gemahlene, gebrannte Tonpartikel beigemischt, während der Ton für das Tigerli daneben viel feiner gemahlene gebrannte Partikel enthält. Entsprechend rauer oder glatter sieht die Oberfläche der Tierfiguren aus.

Sie hebt vorsichtig das Tigerli hoch: «Es ist noch nicht im Ofen gebrannt und daher ziemlich zerbrechlich. Es ist mit Engobe bemalt, einer Mischung aus Ton und Farbstoffen. Die Figur wird beim ersten Brand innert sechs Stunden sukzessive auf 600 Grad erhitzt und in den zwei Stunden danach weiter bis auf 960 Grad.» Auf diese Weise gebrannte Tonwaren sind noch nicht winterhart. Dazu braucht es einen zweiten Brand mit 1250 Grad Celsius. Eine energiefressende Angelegenheit. Den elektrischen Brennofen in ihrem Keller füllt sie daher immer möglichst dicht mit Rohware. Ein einzelnes Stück zu brennen, wäre Verschwendung.

Gemächlich, ausser vor Hochzeiten
Der Ofen muss also gefüllt werden – ein guter Grund, immer schon am nächsten Werkstück zu arbeiten. Andererseits hat es Gabriella Greis beim Töpfern nie eilig. Was nicht fertig ist, wird mit Plastikfolien und Schwämmen feucht gehalten, bis die Arbeit weitergehen kann.

«Einzig dafür arbeitete ich fast wie im Akkord», erzählt sie und zeigt auf hübsche Kugeln mit Krönchen und Täubchen drauf, mit Schleifen, Namensschild und einem Säckchen glasierter Mandeln. «Bomboniera» heisst das in Italien, wo es unzählige Boutiquen just dafür gibt. «Zu jeder richtigen Hochzeit gehört eine Bomboniera!», sagt die gebürtige Italienerin und lacht. Die Nippes zieren jedes einzelne Tischgedeck und dürfen als Erinnerung mit nach Hause genommen werden. Also verbrachte Gabriella Greis vor den Hochzeitsfeiern des Sohns und dann auch der Tochter ziemlich viel Zeit im Atelier.

Auf Bestellung ja, Kurse nein
Beide Male kam die selbst getöpferte Bomboniera so gut an, dass Hochzeitsgäste Gabriella Greis spontan Aufträge gaben. «Solche Wünsche erfülle ich natürlich gerne. Die freien Plätzchen im eigenen Garten und Haus kann ich auch später noch bevölkern», sagt sie. Wenn aber jemand zu ihr in einen Kurs kommen wolle, sage sie ab. Das sei ihr zu heikel.

Denn beim Modellieren sei grosse Sorgfalt nötig, und sie könne und wolle nicht pausenlos kontrollieren, ob alle alles richtig machen. «Die Figuren sind innen hohl. Die Wanddicke muss überall stimmen, die Teile müssen gut zusammengefügt sein, und es braucht an den richtigen Stellen Luftlöcher, damit die Figur beim Brennen nicht explodiert», erklärt sie. Dass ein einzelnes, unsorgfältig gemachtes Stück kaputtginge, wäre dabei nicht einmal ihr grösstes Problem. «Aber die umstehenden Produkte und der teure Ofen nähmen dabei Schaden. Und das ist mir zu riskant.»

Urnen, Windlichter und Safes
Da erfülle sie die Wünsche und Vorstellungen der Kundinnen und Kunden lieber gleich selber. Immer öfter seien Hunde- und Katzenurnen gefragt. «Meistens werde ich gebeten, das verstorbene Haustier naturgetreu nach einem Foto zu modellieren und darin Platz für den Behälter mit der Asche offen zu lassen», erzählt sie. Beliebt seien auch Tierfiguren mit einem Schlüsselversteck irgendwo im Garten oder Umschwung.

Andere Dauerbrenner seien individuelle Windlichter und Stelen für den Garten. «Deshalb haben meine Bombonieren auch ein Loch im Boden, für einen Stab. Wenn die Mandeln gegessen sind, macht die Kugel im Garten noch jahrelang Freude.» Es handelt sich somit um eine Investition in das Hochzeitsfest, die jedes Ehejahr Zinsen abwirft – oder gar länger.


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