Weinland

Neues probieren aus Freude am Tun

Farbig muss es sein und herausfordernd. Seit Erika Beutler ein kleines Mädchen war, strickt sie in jeder freien Minute. Dabei macht sie auch vor dem Kunststricken nicht Halt.

von Christina Schaffner
10. Juli 2020

An rund fünf Strickarbeiten arbeitet Erika Beutler jeweils gleichzeitig. Für manche muss sie voll kon­zen­triert die Mustervorlagen lesen, andere kann sie auch gut nebenher erledigen. Immer wieder probiert sie dabei Neues aus, liebt die Herausforderung: «Aber bei mir muss alles bunt sein», betont sie.

In einem grossen Schrank hat sie fein säuberlich viele verschiedene Strickarbeiten verpackt: Deckchen ebenso wie Kissenhüllen, Pullover und Dreiecktücher. Kleine Püppchen liegen neben Schals, Handschuhen und umstrickten Eiern und Kugeln. «Es gibt eigentlich nichts, was man nicht stricken kann», sagt die Pensionärin, die drei Kinder grossgezogen hat und auch gern mal das eine oder andere Stück verschenkt.

Anleitungen hat sie für ihr Hobby genügend: Bücher, Zeitschriften und alte Zeitungsartikel bieten viele Möglichkeiten. Die Vorlagen zu lesen, muss aber gelernt sein: «Es gibt keine einheitlichen Bezeichnungen, in jedes Muster muss man sich neu hineindenken», erklärt sie. «Daran scheitern viele, weil es mühsam sein kann.» In den Kästchen stehen Buchstaben oder Formen, die jeweils etwas anderes bedeuten – dies, obwohl es beim Stricken eigentlich nur rechte und linke Maschen gibt und weitere zu- oder abgenommen werden können.

Von der Grossmutter geschult
Bei den ersten Versuchen zu «lisme» wurde Erika Beutler von ihrer Grossmutter unterstützt, die sehr viel strickte. Dabei griff die Grossmutter auch zu unkonventionellen Mitteln, um die kleine Erika zu motivieren: «Mit der Stricknadel wurde blind in eine Zeitung gestochen», erzählt sie. Je nachdem wie viele Buchstaben das getroffene Wort hatte, so viele Nadeln musste sie stricken. Besonders beliebt war aber der «Wunderknäuel»: «Darin waren zur Belohnung Zeltli und Schöggeli eingewickelt.» Diese vorher herauszuziehen, war nicht erlaubt.

Diese Ermutigungen und Belohnungen waren schon bald nicht mehr nötig. Als Jugendliche strickte sie sich ihre ersten Pullover selber. Als die Kinder kamen und ihre Mutter gleichzeitig pflegebedürftig wurde, blieb nicht so viel Zeit für das Hobby. Aber auch da fand Erika Beutler immer wieder ein paar Minuten, um zu «lisme» und sich dabei zu entspannen, sich seelisch zu erholen und Kraft zu tanken. Auch für die Psyche sei das Stricken gut, findet Erika Beutler.

«Keine gescheiten Vorlagen»
Heute schaut sie sich immer wieder nach neuen Herausforderungen um, probiert ständig Neues aus. Oft richtet sie sich dabei danach, was gerade modern ist. Nicht so recht weitergekommen ist sie aber, als sie «Trachtentüchli» stricken wollte. «Dafür gibt es einfach keine gescheiten Vorlagen», fasst sie ihre Recherchen dazu zusammen. Sie probierte, wandelte Muster ab, strickte und häkelte und kann nun einige präsentieren. Wichtig ist bei den schmalen, dreieckigen Tüchern, dass sie hinten am Hals eine schöne Kurve bilden und nicht zu hoch hinaufreichen. Froh wäre sie über klare Anleitungen, dann würde sie gerne weitere stricken – auch wenn sie weiss und nicht farbig sind.

Für Trachtenfrauen strickt sie zudem gerne Stulpen oder Strümpfe auf Bestellung – aber nur, nachdem sie vorher Mass genommen hat, damit sie passen wie angegossen. Dabei ist sie preislich sehr günstig. «Ich stricke aus Spass an der Freude», betont sie. Deshalb ist sie auch über Bestellungen froh, denn dann hat sie etwas zu tun. Auf Märkte geht sie zwar hin und wieder auch, aber «das stundenlange Stehen am Stand ist nicht so meins». Lieber sitzt sie auf der Terrasse, schaut auf ihren Gemüsegarten und strickt – aus Freude am Tun.

Mit Hand, Herz & Hirn

Die "Andelfinger Zeitung" lanciert eine neue Serie. "Mit Hand, Herz & Hirn" widmet sich ganz den handwerklichen Hobbys. Erschaffen Sie in Ihrer Freizeit Dinge in einer nicht alltäglichen Technik? Möchten Sie Ihr Wissen und Ihre Freude am Hobby oder am Handwerk in unserer neuen Serie mit anderen Leserinnen und Lesern teilen? Dann melden Sie sich unter redaktion@andelfinger.ch oder Tel. 052 305 29 08!

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite