Weinland

SVP macht mobil gegen Tempo 30

Weil der Gemeinderat die Meinung der Bevölkerung zu Tempo 30 nicht einholen will, «machen wir das», sagt SVP-Vorstandsmitglied Irina Pletscher. Der Gemeinderat entgegnet, das habe er gemacht, entscheiden müsse er aber selber.

von Roland Spalinger
18. Juni 2019

Mit «Tempo-30-Zone auf der Land- und Humlikonerstrasse: Ja oder Nein?» ist ein Umfragebogen der SVP überschrieben, den «ganz Andelfingen» ausfüllen soll. Was mit dem Dokument erreicht werden soll, ist aufgrund der aufgeführten Punkte unschwer zu erahnen: Als Gedankenstütze für Unterzeichner sind acht Punkte genannt, sechs mit einem grimmigen Gesicht vorangestellt, zweimal ist es ein lachender Smiley – dafür, dass es in besagtem Gebiet noch keine Unfälle wegen zu hoher Geschwindigkeiten gegeben hat, und für das Fazit, was dagegen spreche, den Ist-Zustand beizubehalten.

Mehr Argumente hat die Partei gefunden, die gegen eine Erweiterung der Tempo-30-Zone im Ortszentrum sprechen: die Kosten, bauliche Massnahmen, drei verschwindende Fussgängerstreifen und sowieso mehr Unklarheiten bezüglich Vortritt und somit
weniger Sicherheit. Vieles wurde an der Gemeindeversammlung ausführlich besprochen («AZ» vom 24.5.2019); nach Beantwortung der schriftlichen Anfrage von Irina Pletscher hatte eine rege Diskussion stattgefunden.

SVP: Alle betroffen
Nun legt sie nach. Nicht sie, korrigiert Irina Pletscher, sondern die örtliche SVP, deren Vorstand sie angehört. Die Behörde «hört nicht, was die Bevölkerung will», kritisiert sie. «Deshalb machen wir das.» Mit «das» ist eben die Umfrage gemeint, die laut Mitteilung der SVP allen Bewohnern zugeschickt wird. Auf dem Bogen kann nur Ja oder Nein angekreuzt werden, mitmachen sollen alle Andelfinger, «unabhängig von Alter und Nationalität». Die vom Gemeinderat vorgesehenen Massnahmen würden auch alle betreffen, sagt sie auf Anfrage. Und eine Petition könnten auch alle unterschreiben, nicht bloss Stimmberechtigte.

Hansruedi Jucker ist nicht überrascht vom Vorgehen. Die SVP habe angekündigt, in diese Richtung aktiv zu werden. Hingegen überrascht den Gemeindepräsidenten der Vorwurf, die Behörde habe kein offenes Ohr fürs Volk. Sie hätten Tempo 30 x-mal thematisiert, zu einem Infoanlass geladen und zwei Hauptanliegen der Bevölkerung aufgenommen. So wolle sich die Behörde gegen das Verschwinden der Fussgängerstreifen wehren und erst dann Schwellen auf Strassen in Betracht ziehen, wenn Tempomessungen dies als erforderlich zeigen.

Und ausgehebelt sei die Bevölkerung nicht. Gegen ein ausgeschriebenes Projekt könne Einsprache erhoben werden.

Dürfen nicht nach oben delegieren
Aber eben erst gegen ein Projekt, nicht gegen die Absicht selber. Das sei Aufgabe der Behörde, wie Hansruedi Jucker bereits an der Gemeindeversammlung sagte. Diesen Entscheid dürfe die Behörde gemäss Gemeindegesetz nicht nach oben, sprich an den Souverän, delegieren. Das sei verboten. Der Gemeinderat könnte zwar auf Massnahmen verzichten, und er hätte die Sache auch nicht weitergeführt, hätte nicht ein Gutachten der Vorstudie 20 Sicherheits­defizite offenbart. Mit diesem Wissen, so Hansruedi Jucker, «können wir die Übung nicht abbrechen». Das wäre nicht zu verantworten.

Für die SVP unverständlich ist, weshalb auf der Hauptverkehrsachse 30 gefahren werden soll, in Quartieren wie im Steinacker aber 50 möglich ist – in einer Umfrage der Gemeinde hatte sich die Bevölkerung gegen Verkehrsberuhigungsmassnahmen ausgesprochen. Der Unterschied: Im Ortszentrum ist die In­itia­ti­ve vom Gemeinderat ausgegangen.

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