Weinland

Tauschbörse nach drei Jahren geschlossen

Seit April bleibt die Tauschbörse im Wöschhüsli im Mitteldorf zu. Das Konzept habe fast immer gut funktioniert, sagt die Verantwortliche, zumindest mit einer Überwachungskamera.

von Silvia Müller
14. April 2023

Das einstige Wöschhüsli an der Mitteldorfstrasse war für viele Familien während dreieinhalb Jahren eine Art regelmässiges Ausflugsziel. Sobald die Kinder dort zum ersten Mal coole Spielsachen oder Kleider entdeckt hatten, mussten die Eltern auf dieser Route obligatorisch einen Halt einplanen. «Nur schnell reingucken, vielleicht ist ja etwas Neues da» – das sagten sich nicht nur die Kinder. Auch Erwachsene wurden oft fündig. In der Tauschbörse warteten Kleider, Schuhe, Sportgeräte, Bücher, Filme, CDs, Geschirr, Deko und Krimskrams auf neue Eigentümer.

Anders als im Brockenhaus gab es in der Tauschbörse aber keine Aufsichts- oder Verkaufsperson. Wer etwas verschenken wollte, legte es einfach auf den Annahmetisch. Wer etwas vom Angebot begehrte, nahm es gratis mit nach Hause. Wer seiner Freude und Dankbarkeit mit einer Spende Ausdruck geben wollte, steckte etwas in ein Kässeli. Erwartet wurde das nicht, aber es kam immer wieder vor.

Die Idee der unbedienten Tauschbörse stammte von der Anwohnerin Marlies Buchs. Nachdem sie die Besitzerin des ungenutzten Wöschhüslis, die frühere Stationshalterin Elsbeth Gross, für ihr Vorhaben gewonnen hatte, war die Genehmigung der Gemeinde an der Reihe. «Unser Konzept und das Umnutzungsgesuch wurden bewilligt unter der Bedingung, dass die Tauschbörse ein Angebot fürs Dorf bleibt. Wir durften sie nur innerhalb der Gemeinde bekannt machen», erzählt Marlies Buchs. Denn die Furcht vor dem Mehrverkehr durch auswärtige Schatz­jäger sei gross gewesen, zumal es in unmittelbarer Nähe keine Parkplätze gibt.

Ein rege genutzter Geheimtipp
Marlies Buchs baute im ungeheizten Raum gebrauchte Gestelle und Möbel auf und stellte die ersten Gegenstände zum Mitnehmen hinein. Auf mehrsprachigen Schildern erklärte sie, wie was erwünscht und erlaubt war – und was nicht. «Die meisten Leute fanden die Idee gut und einen Versuch wert. Natürlich waren einige auch dagegen», erinnert sie sich. Und welche Schlüsse zieht sie selbst nach über drei Jahren Betrieb?

Der Start sei bezeichnend gewesen, sagt sie. «Innert kurzer Zeit füllten die Ossingerinnen und Ossinger die Gestelle mit schönen Sachen.» Als ob sie nur darauf gewartet hätten, alles, was noch gut und brauchbar war, unkompliziert und innerhalb des Dorfes weiterzugeben – das sei für viele ein besseres Gefühl, als etwas ins Brocki zu bringen oder gar wegzuwerfen. «Bei uns haben sehr viele Dinge die Hand gewechselt. Manches lagerte höchstens ein paar Stunden hier.»

Besonders schnell seien Spielsachen und Kleidung mitgenommen worden. Viele Familien besorgten sich regel­mässig altersgerechtes Spielzeug, und wenn das Interesse daran erloschen war, brachten sie die Ware wieder retour. «Besonders die Eltern schätzten diesen Kreislauf. Manche Kinder durften sich regel­mässig etwas aussuchen, unter der Bedingung, dass sie auch etwas retour gebracht hatten.»

Sichten und Weitergeben ist Hobby
Möglich war der Betrieb nur, weil Marlies Buchs aus Idealismus jeden Tag «zwischen zehn Minuten und zwei Stunden» zum Rechten schaute. Unentgeltlich, versteht sich. «Dinge zu sortieren und schön zu präsentieren ist mein Hobby, das mache ich sowieso am liebsten.»

Sie habe dabei nichts verdient, aber auch nicht draufgelegt – natürlich nur dank der Besitzerin, die keine Miete wollte. «Den Bedarf an Kewy-Säcken konnte ich immer von den Spenden bezahlen.» Denn Abfallsäcke für die unbrauchbaren Dinge müsse man bereithalten, sobald niemand die Annahme kontrolliere.

Allerdings sei die unbewachte Tauschbörse zuletzt vermehrt als unentgeltliche Entsorgungsstelle missbraucht worden. «Der Anteil an kaputter, dreckiger oder unvollständiger Ware wurde allmählich grösser», stellt Marlies Buchs fest. Und doch seien immer wieder attraktive, beliebte Sachen hereingekommen, die viel Freude auslösten und zum Weitermachen motivierten. «Trotzdem ist für mich nun der Moment zum Aufhören gekommen.»

Sie teilt gerne – auch Erfahrungen
Der Entscheid fiel, nachdem sie beim abendlichen Abschliessen innert weniger Wochen mehrmals ein Chaos angetroffen hatte. Es habe schon früher solch eine Phase gegeben, in der unbeaufsichtigte Kinder alles hervorzerrten, zu Boden warfen, Verpackungen aufrissen …. Seither hing gross und mehrsprachig die Warnung, dass Kinder unter 12 Jahren nicht alleine in die Börse dürften, und eine Überwachungskamera, die mehr zur Abschreckung diente, als scharfe Bilder zu liefern – für eine bessere wäre WLAN nötig gewesen.

Nun habe ihr die erneute Serie mutwilliger Beschädigungen und Unordnung den Anstoss zum Aufhören gegeben. «Ich habe ohnehin schon seit einer Weile im Gespür, dass für mich bald etwas Neues kommt. Deshalb schaffe ich nun den Platz dafür, und ich gönne mir mal eine Pause.» Unter dem Strich sei aber immer noch die Freude grösser als der Frust. Aufgrund ihrer Erfahrungen würde sie jedenfalls niemandem vom Wiederholen des Konzepts abraten: «Eine gute Kamera wäre aber auf jeden Fall ein Vorteil.

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite