Weinland

Wie einst Autostopp, nur besser

Fahrgemeinschaften machen ökologisch Sinn und ermöglichen freundliche Begegnungen. Deshalb stellen fünf Thurtal-Gemeinden schlichte Bänke und simple Regeln auf: Wer dort sitzt, möchte mitgenommen werden. Wer dort anhält, möchte nicht alleine fahren.

von Silvia Müller
07. Januar 2020

Seit Mitte November stehen in Ober- und in Niederneunforn «Mitenandfahrbänkli». Daneben ein ausklappbares Schild mit der Aufschrift «Frauenfeld». Wer dort Platz nimmt, signalisiert: «Ich möchte gerne in die Stadt mitgenommen werden.» Hält eine Auto­mobilistin oder ein Automobilist an, kommen die Bänkligäste unkompliziert und gratis in die Stadt – sofern man sich über den Zielort einig wird und sich gegenseitig vertraut. Und sonst reicht ein «Nein danke, ich habe es mir anders überlegt».

Und wie sieht es später am Tag mit dem Heimweg aus? Ganz einfach – gleich hinter dem Bahnhof Frauenfeld gibt es am Rosenegg-Rondell ebenfalls ein «Mitenandfahrbänkli». Dort stehen mehrere Schilder bereit, die das Ziel für die Heimfahrt klarmachen. Aktuell stehen die beiden Neunforn, Uesslingen und Hüttwilen zur Wahl, und in naher Zukunft auch Herdern und Warth-Weiningen. Man klappt also das Schild mit dem gewünschten Zielort aus und wartet ab, ob eines der passierenden Autos dorthin will und einen mitnimmt. Noch könnten die Wartezeiten etwas dauern, das Mitfahrangebot ist noch nicht sehr bekannt. Auch die Neunforner wissen erst seit dem Flugblatt Mitte Dezember, wozu die Bänke da sind.

Immerhin, der Anfang ist gemacht. Der Weg rein in die Stadt dürfte momentan allerdings noch etwas einfacher sein als der Weg zurück nach Hause. Das Experiment könnte in beide Richtungen Fahrt aufnehmen, wenn es sich einbürgert, dass die Dorfbewohner auf dem Heimweg ihr Auto bewusst am Frauenfelder Bänkli vorbeilenken, um zu gucken, ob dort jemand mit zurück aufs Land fahren will. Sollte sich das Warten auf der Bank mal allzu sehr in die Länge ziehen, sind der Bahnhof und somit der öffentliche Verkehr (ÖV) nur ein paar Schritte entfernt.

Idee der Regionalplanungsgruppe
Die Idee, spontane Fahrgemeinschaften aufzugleisen, kam von Regio, der Regionalplanungsgruppe Frauenfeld. Als Erste seien fünf Gemeinden aufgesprungen, die auch sonst in vielen Bereichen zusammenarbeiten, sagt Neunforns Gemeindepräsident Benjamin Gentsch. Der Gemeinderat sehe darin ein niederschwelliges Angebot – ein «entspanntes Pendeln, der Umwelt zuliebe und im Geist von Vertrauen und freundlichen Kontakten» heisst es auf dem Flyer. Deshalb würden bald mit Sicherheit weitere Dörfer in der Region einsteigen.

Natürlich habe der Gemeinderat sich lange überlegt, ob so ein Mitfahrangebot eine Konkurrenz zum ÖV sei und am Ende zu einer Schmälerung des ÖV-Fahrplans führen könnte. «Zum Glück gibt es bereits Erfahrungen aus anderen Kantonen, beispielsweise in der Innerschweiz. Dort sind trotz solcher Mitfahrprojekte keine Nachteile für den ÖV eingetreten», sagt er. Denn wer pünktlich ankommen müsse, könne das ungewisse Warten auf dem Bänkli nicht riskieren. «Für geplante Reisen, Arzttermine und so weiter ist das keine brauchbare Option», sagt er.

Kein Fahrgeld und keine Haftung
Die Gemeinderätin Margrith Wigholm hat das Angebot bereits in beiden Richtungen ausprobiert und sagt, sie könne sich «in Frauenfeld einen idealer gelegenen Einstiegsort vorstellen». Doch das könne ja noch werden, falls wirklich weitere Gemeinden hinzustossen. Auf Ende 2020 plant die Regional­planungsgruppe eine Erfolgsumfrage in den Dörfern – weil keine Tickets verkauft werden, gibt es keine Nutzerzahlen und somit keine Statistik. Zeigt sich, dass das Angebot genutzt wird, soll es weitergeführt werden.

«Wichtig zu wissen ist: Die Gemeinden stellen nur die Bänke auf, übernehmen aber keinerlei Haftung für allfällige Folgen», betont Benjamin Gentsch. Die Fahrten erfolgen auf nicht kommerzieller Basis und in freiwilliger und direkter Absprache der beteiligten Passagiere und Chauffeure. «Wie auch sonst im Dorf zählen wir auf das Entgegenkommen und die Eigenverantwortung aller Beteiligten.»

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