Weinland

Deckel drauf und gut beim Grüngut?

Die Einführung der Grüngutabfuhr sorgte fast zwei Jahre lang für Diskussionen und mobilisierte einen Teil der Bevölkerung. Nach dem Testjahr ziehen das «Grüngut-Team» und die Behörden ein erstes Fazit zum ausgehandelten Kompromiss.

von Silvia Müller
30. Dezember 2022

Wortmeldungen und Anträge an Gemeindeversammlungen, Leserbriefe, eine Petition mit 633 und eine Einzelinitiative mit 75 Unterschriften, Gegenvorschläge und Kompromissentwürfe – seit der Bekanntgabe Anfang 2021 absorbierte die vom Gemeinderat in Eigenregie beschlossene Umstellung auf die kostenpflichtige Grüngutabfuhr viel Manpower in der Bevölkerung und in den Amtsstuben des Stammertals (und in der AZ vom 19.3., 31.8., 24.9., 29.10., 19.11.2021 sowie 4.1., 28.1. und 10.6.2022). Rechtzeitig zum Jahreswechsel und zum zweiten Versuchsjahr wurde die Sache in der Abfallverordnung nun neu geregelt und im «Stammerblatt» publiziert.

Zur Erinnerung nochmals die Ausgangslage: Weil die Sammelstelle am Diessenhoferweg, im Folgenden kurz die «Grube» genannt, keinen befestigten Untergrund und keine Über­dachung hat und sich zudem in der Landwirtschaftszone befindet, drängt der Kanton schon lange auf deren Aufhebung. Seit der Fusion 2019 ist die Politische Gemeinde an der Arbeit für eine zentrale, talübergreifende Lösung im Abfall- respektive Wertstoffwesen. Für die bevorzugte Variante, einen Neubau, müsste aber zuerst umgezont werden können. Das dauert, und so lange wollte der Gemeindevorstand wenigstens beim Grüngut nicht zuwarten. Nach Abklärungen mit externen Beratern und mit Blick auf die Lösungen anderer Gemeinden schloss die Behörde einen Fünfjahresvertrag mit einer Entsorgungsfirma ab und informierte danach die Bevölkerung über den Systemwechsel auf Abholung und die Schlies­sung der Grube.

Das kam bei vielen schlecht an. Die Umstellung auf Plastikbehälter und Lastwagentouren sei unökologisch, teuer für die Haushalte und eigenmächtig, waren die häufigsten Argumente. Einwohnende schlossen sich zum «Grüngut-Team» zusammen und lancierten die eingangs genannte Petition gegen die Schliessung der Grube und die Einzelinitiative, das «Grüngut im talinternen Kreislauf» zu bewirtschaften. Letztere wurde im Juni 2022 von der Gemeindeversammlung angenommen. Die heftige Kritik fürs «Schlecht-Angattigen» sei bei der Behörde angekommen, kommentierte Gemeindepräsidentin Bea Ammann damals das Resultat: «Passiert ist passiert. Jetzt können wir vorwärts machen.»

Kommunikation läuft wieder gut
Nach kommunikatorisch suboptimalen Phasen arbeiten beide Seiten inzwischen gemeinsam auf gute Lösungen hin. Der zunächst gefundene Kompromiss sah wie folgt aus: Die Gemeinde hielt an ihrer Entscheidungsbefugnis fest und führte trotz der Kritik ab Januar 2022 die zweiwöchentliche Sammlung durch ein Entsorgungsunternehmen ein – diese wird über eine Jahrespauschale oder mit Einzelmarken bezahlt, abhängig von der Grösse der genormten Plastikcontainer, welche die Haushalte anschaffen mussten. Wer den Abholdienst nur selten braucht, kann mit Einzelmarken bezahlen.

Gleichzeitig willigte die Gemeinde ein, dass 2022 weiterhin Grüngut direkt in die Sammelstelle am Diessenhoferweg gebracht und dort entsorgt werden konnte, verursachergerecht nach Gewicht respektive Volumen bezahlt.

Das Konzept für die einjährige Testphase entstand zusammen mit dem Grüngut-Team. Dieses erklärte sich bereit, während den Annahmezeiten in der Grube Dienst zu leisten und die korrekte Umsetzung des Konzepts zu garantieren: Die abgelieferten Pflanzenarten, die Mengen und die Gebühren in Form von eigens geschaffenen Marken mussten stimmen. Im Stammerblatt kommuniziert nun der Gemeindevorstand auf den Seiten 11 bis 13 und das Grüngut-Team auf Seite 20, was im zweiten Versuchsjahr 2023 anders wird.

Grube bleibt, Bezahlung ändert
Vor allem die Abgabe der Einzelmarken habe sich als «sehr zeitaufwendig und für die Kunden umständlich erwiesen», schreibt die Behörde. Deshalb bezahlen Privathaushalte 2023 eine Jahresgebühr von 60 Franken und können dafür maximal 1500 Kilo Grüngut in die Grube bringen. Neophyten, Äste, Baum- und Heckenschnitt sind nicht kostenpflichtig. Grüngut aus Gewerbe und Betrieben wird nicht entgegengenommen.

Das Grüngut-Team zieht wie folgt Bilanz aus seinem Einsatz:  Die Grube am Diessenhoferweg werde «geschätzt als Sammelstelle mit praktischen Öffnungszeiten.» Dabei sei das Trennen von Grüngut in Äste, Neophyten und Grüngut mehrheitlich befolgt worden.

Der Einblick in den Grubenbetrieb und der Austausch mit den Verantwortlichen seitens der Gemeinde halfen dem Grüngut-Team nach eigenen Angaben, «deren Tätigkeit einzuordnen, diese wertzuschätzen und Vorschläge an die Behörde zu machen».

Beim Bringen sei hie und da Geduld gefragt gewesen. «Doch die Wertschätzung der freiwilligen Arbeit vom Grüngut-Team war immer wieder spürbar.» Das Versuchsjahr 2022 sei sinnvoll gewesen. Es habe Erkenntnisse zum Bringverhalten und zu den Mengen gebracht und zu einem zunehmend einfachen Ablauf geführt, unter anderem dank Beschriftungen an Ort und Stelle und Informationen an die Bevölkerung. So habe beispielsweise eine Deponiekarte ab dem zweiten Halbjahr den Ablauf erleichtert.

Verursacherprinzip vorgeschrieben
Aufgrund der Erfahrungen würde das Grüngut-Team den Grubenbetrieb am liebsten wieder wie früher über eine Grundgebühr fürs Abfallwesen finanzieren – das wäre «einfach und kostengünstig für alle». Dies könne aber «wegen Bedenken um das Verursacherprinzip nicht realisiert werden». Daher betrachte das Team die ab 2023 geltende, haushaltsbezogene Jahrespauschale von 60 Franken für die Grubennutzung als «guten Kompromiss», der das Deponieren ohne Wägen und Erfassen ermögliche.

Ab 2023 leiste das Team keinen Dienst mehr vor Ort, bleibe jedoch in Kontakt mit Behörde und Verwaltung. «Einerseits, um den Verlauf des Grubenbetriebs zu beobachten, andererseits, um die Umsetzung unserer Initiative zu begleiten.»

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