Weinland

Mehrheit für Grüngut-Initiative

Vorläufiges Schlussfeuerwerk in der Grüngut-Sache: Die Gemeindeversammlung sprach sich mit 18 Stimmen Unterschied für die Grüngut-Initiative aus.

von Silvia Müller
10. Juni 2022

Seit Frühling 2021 spaltet die Grüngutfrage das Stammertal. Der Gemeinderat hatte ohne Einbezug der Bevölkerung beschlossen, ab 2022 in der Entsorgungsstelle «Grueb» kein Grüngut mehr anzunehmen, und einen Fünfjahresvertrag mit einem Entsorgungsunternehmen abgeschlossen. Das in normierten Behältern bereitgestellte Grüngut wird seit Januar alle 14 Tage von der Neftenbacher Recycling­firma abgeholt.

Die Bevölkerung erfuhr davon wegen Corona nicht schon an der Bächtelistagsversammlung 2021, sondern erst nach beschlossener Sache – und eher «en passant» und schriftlich. Beides kam schlecht an. Eine Interessengruppe formierte sich, um mit Aktionen und Argumenten die bisherige Regelung zurückzubekommen. Am 27. Oktober verlangte sie in einer Petition, die «Grueb» solle weiterhin Grüngut annehmen. Gleichzeitig unterschrieben 75 Personen die Einzelinitiative, welche die talinterne Verwertung des Grünguts in der Abfallverordnung zur Pflicht erklären wollte. Dies sei umweltgerechter und nachhaltiger als die beschlossenen Abfalltransporte. Insbesondere sei die Erstellung eines alles umfassenden Recycling-Platzes zu prüfen.

Daraufhin lenkte der Gemeindevorstand teilweise ein. Seither kann Grüngut der Tour mitgegeben, aber auch in der «Grueb» entsorgt werden. Grundsätzlich liege aber das Thema in der Kompetenz der Behörde, die Gemeindeversammlung sei weder fürs Konzept noch für Details wie die Gebührenregelung zuständig (AZ vom 24.9., 29.10. und 19.11.2021).

Deshalb kam am Mittwoch im Schwertsaal nur jener Teil der Initiative zur Abstimmung, der in der Abfallverordnung grundsätzlich einen möglichst talinternen Stoff- und Energiekreislauf festschreiben will und die entsprechende Planung des zukünftigen Entsorgungplatzes fordert.

«Teure Anlage untergejubelt»
Nachdem der Gemeinderat und die RPK, unter anderem aus Kostengründen, zur Ablehnung rieten – eine Kompostier- oder gar Biogasanlage sei finanziell keine Option –, monierten die Initianten, dieses Gegenargument sei ein unfairer Zug der Behörde und der Initiative «untergejubelt» worden – dort sei noch nie und nirgends von solch einer Anlage die Rede gewesen.

Diverse Votanten, unter ihnen ein Düngerexperte der Gemüsebaufirma Rathgeb, betonten denn auch, von Landwirten bewirtschaftete «Feldrandkompostierungen» könnten eine zum Tal passende Option sein. «Auch Rathgeb strebt seit Langem an, den eigenen Grünabfall möglichst in der Umgebung zu verwerten und die Nährstoffe zurückzubekommen, doch ganz so kleinräumig dürfen wir alle in dieser Sache wohl nicht denken», erklärte er.

Die erste geheime Abstimmung
Darauf stimmte der Saal dem Antrag der Initianten auf geheime Abstimmung zu, mit 43 von 138 Stimmen – 9 mehr als das nötige Viertel. Zum ersten Mal seit der Fusion kam die Schachtel mit Zetteln und Stiften zum Einsatz.

Minuten später verkündete Gemeindepräsidentin Beatrice Ammann das Resultat. Die Initiative wurde mit 78 Ja zu 60 Nein angenommen. Das reizt zum Rechnen: Im Saal haben 3,7 Prozent der total 2081 Stimmberechtigten die 2,9 Prozent mit anderer Meinung überstimmt. Und vielleicht auch den Grossteil jener 93,4 Prozent, die gar nicht da waren – möglicherweise, weil sie mit der neuen Regelung leben können.

«Tipptopp, jetzt wissen wir, woran wir sind», kommentierte jedenfalls Beatrice Ammann. Der Gemeinderat habe nun 18 Monate Zeit, um die angepasste Abfallverordnung vors Volk zu bringen, und er werde «die fünf Jahre bis zum Ablauf des Vertrags für eine gute Lösung nutzen». Die heftige Kritik «fürs Schlecht-Angattigen» sei bei der Behörde übrigens angekommen: «Passiert ist passiert. Wir können vorwärts machen. Schon ab Juli gilt in der ‹Grueb› ein vereinfachtes Abrechnungssystem.»

Rechnung und Verabschiedungen
Die Jahresrechnung 2021 zeigt 5 Millionen Franken «Plus», vor allem dank Buchgewinnen, höheren Steuereinnahmen und pandemiebedingt tieferen oder sistierten Ausgaben. 2,4 Millionen Franken Darlehen wurden zurückgezahlt (11,7 stehen noch). Das Nettovermögen beträgt 22 Millionen, die Eigenkapitalquote 72 Prozent. Verglichen mit anderen Gemeinden seien Schule, Verwaltung und Strassenwesen nach wie vor relativ teuer, sagten Finanzreferent Hansruedi Langhart und RPK-Chef Roger Schär. Beide warnten vor «Goldgräberstimmung» und den «massiven anstehenden Investitionen».

Für Gemeinderat Hansruedi Langhart war es die letzte GV, und das seit 2006. Anita Fleury wurde als erste Schulpräsidentin seit der Fusion verabschiedet. Sie bleibt in der Schulpflege, während Heidi Mosimann und Markus Schneider dort aufhören. Die meisten Sträusse und Weinkartons gingen aber an die acht scheidenden Frauen und Männer aus dem verkleinerten Wahlbüro – den Rekord hielt Hansruedi Wiesmann mit 42 Dienstjahren.

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