Weinland

Haare gegen Ölverschmutzungen

Für Friseure sind abgeschnittene Haare in der Regel Abfall. Nicht so für Belinda Kreuzer von Wasabi. Sie schickt die Haarabfälle ihres Coiffeursalons nach Frankreich, wo sie zu Öl­filtern verarbeitet werden.

von Christina Schaffner
28. Januar 2022

Belinda Kreuzer und ihre beiden Angestellten schneiden viele Haare – fast jeden Tag. Da kommen so einige kurze, lange, gelockte, gefärbte, helle und dunkle Haarbüschel zusammen. Bis zum letzten Sommer wanderten diese bei ihnen – wie in den allermeisten Coiffeursalons – in den Abfall. Doch das hat sich geändert: Nun werden sie in speziellen Säcken gesammelt und nach Frankreich verschickt. Dort werden sie im Rahmen des Projekts «Coiffeurs Justes» (Faire Friseure) in Schläuche gestopft und bei Ölverschmutzungen zur Reinigung des Wassers eingesetzt.

Haare gegen Ölverschmutzungen? Klingt komisch, funktioniert aber, wie der erste grosse Einsatz 2020 bei einer Ölkatastrophe vor Mauritius zeigte. Mit Haaren gestopfte Schläuche saugten das auf der Oberfläche schwimmende Öl auf; eine Alternative zu den herkömmlichen Massnahmen, bei denen Ölkatastrophen mit Chemikalien bekämpft werden.

Haare sind mehr als Abfall
Der Initiator des Haarprojekts «Coiffeurs Justes», Thierry Gras, dachte sich schon als Auszubildender, dass Haare mehr als Abfall seien. Ein Projekt, das sie verwertet, fand er nicht. So begann er selbst zu forschen und zu tüfteln und dabei den Vorzug von Haaren zu nutzen, Fett der Kopfhaut aufzunehmen. Ein Kilogramm Haare kann bis zu acht Kilogramm Öl aufsaugen. Die Haarschläuche können acht- bis zehnmal gereinigt und wieder eingesetzt werden. Doch auch danach ist ihr Nutzen nicht vorbei – anschliessend dienen sie bei Hausdämmungen.

Als Belinda Kreuzer im letzten Sommer in den Medien hörte, dass ein Coiffeurgeschäft in St. Gallen mitmacht, war sie sofort Feuer und Flamme. Sie wie auch viele weitere Ladenbesitzer meldeten sich, um sich zu informieren. «Es ist ein kleiner Beitrag für die Umwelt, der ohne grossen Aufwand gut umsetzbar ist», sagt die engagierte Frau. Bei einem nicht gerade umweltfreundlichen Beruf sei es ihr wichtig, etwas für den Naturschutz zu tun. Dafür nimmt sie auch ein wenig Mehrkosten in Kauf: die Jahresmitgliedschaft im Verein von 25 Euro und die Papiersäcke für die Haare, die sie für einen Euro pro Stück kaufen muss.

Damit der Versand nicht zu teuer wird, bringt sie die Kartons mit den Haarsäcken über die Grenze nach Deutschland. «Sogar der Mann bei der Post war letztes Mal von dem Projekt begeistert und spendierte mir das Porto», freut sie sich. Ihre Kunden, die sie beim Haareschneiden informiere, seien von dem Projekt ebenfalls angetan – manch einer stecke Geld in das dafür im Geschäft bereitstehende Spenden-kässeli.

Keine Resonanz im Weinland
Die Versuche der Coiffeuse, weitere Betriebe in der näheren Umgebung zum Mitmachen zu bewegen, gingen grösstenteils ins Leere. E-Mails blieben unbeantwortet, was sie schade findet. Nur eine Frau in Winterthur mache mit. «Es braucht nicht viel. Die Haare kehren wir ohnehin zusammen und füllen sie statt in den Abfall- in den Sammel­sack», so Belinda Kreuzer. Sauber, was Bedingung sei, seien sie nach dem Waschen sowieso. Sie spare dadurch zwar gewichtsmässig keinen Restmüll, aber an Volumen. «Ich habe mal ein recht grosses Haarbüschel gewogen, das ich einem Kunden abgeschnitten habe», erzählt sie. Dieses wog nur 25 Gramm. In einen Sammelsack passen rund zwei bis drei Kilogramm Haare. In einem halben Jahr kämen bei ihr rund 20 Kilogramm zusammen.

Auch als Prophylaxe
Die Haarschläuche, für die ausgediente Trombosestrümpfe aus Krankenhäusern genutzt werden, kommen nicht nur bei Katastrophen zum Einsatz. Einige liegen bereits an Tankstellen von Hafenbecken an der Côte d’Azur oder auch neben den Motoren von Booten, damit deren Öl erst gar nicht ins Wasser gelangt. Auch gegen Sonnencrème im Meerwasser sollen sie eingesetzt werden, was vor allem bei abgesperrten Schwimmbereichen möglich ist.

Ein weiterer Nebeneffekt des zweiten Lebens der Haare kommt aber nicht der Umwelt, sondern den Menschen zugute: Der Betrieb, der die Haare in Schläuche stopft, beschäftigt Langzeitarbeitslose, die so wieder eine Perspektive bekommen.

Kontakt und weitere Informationen bei Belinda Kreuzer: b.kreuzer79@gmail.com

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