Weinland

Kleinkrämergeist um «Allerweltslädeli»

Nach 30 Jahren musste Helen Rubli ihre «Boutique Helen» im Steinacker auf Anordnung der Gemeinde entfernen. Der Fanclub nahm Abschied vom originellen Stand – nur der Gemeinderat glänzte mit Abwesenheit.

von Barbara Flacher
03. Mai 2018

«Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenns dem bösen Nachbarn nicht gefällt.» Dieses Sprichwort von Friedrich Schiller passt im weitesten Sinne des Wortes zum «Lädeli-Drama» in Niederwil. Bereits vor drei Jahren erhielten Hans und Helen Rubli einen Brief von der Gemeinde, dass das nicht fest installierte «Allerweltslädeli» auf ihrem Landwirtschaftsland verschwinden müsse.

Vorgeschoben wurde eine Anweisung des Kantons mit der Auflage, eine Baueingabe müsse eingereicht werden, was von Familie Rubli auch gemacht wurde. Wie der damalige Gemeindepräsident Gody Sigg vor drei Jahren auf Anfrage sagte, strebte der Gemeinderat eine friedliche Lösung des Lädeli-Problems an.

Tatsächlich schien dies der Fall zu sein. Helen Rubli pflegte weiterhin mit viel Herzblut ihr Lädeli-Hobby, verkaufte für «ein paar Batzen» die von vielen Personen gebrachten Secondhand-Artikel sowie selbst gemachte Konfitüren und Früchte und Gemüse aus dem eigenen Garten.

Nur kurzer Frieden
Doch der vermeintliche Frieden war von kurzer Dauer. In einem eingeschriebenen Brief, unterzeichnet vom Gemeindepräsidenten Peter Läderach, machte die Gemeinde in ihrem baurechtlichen Entscheid geltend, dass das von Hans Rubli eingereichte Baugesuch für einen Verkaufsstand nicht bewilligungsfähig sei, weil sich das Bauvorhaben ausserhalb der Bauzone befindet.

Diese Rechtslage vertrat die kantonale Baudirektion, die das Gesuch in einem speziellen Verfahren vorzuprüfen hatte und in der Folge den negativen Entscheid nach Adlikon übermittelte. Daraufhin zog Hans Rubli das Baugesuch zurück und versicherte, den Verkaufsstand zu entfernen. Die Gemeinde verpflichtete Hans Rubli in dem Brief, den Rückbau innert 30 Tagen vorzunehmen, was inzwischen geschehen ist.

Gemeinderat erschien nicht
Am 25. April um 17 Uhr werde sich der zuständige Gemeinderat Ruedi Ambord persönlich davon überzeugen, dass dieser Anweisung Folge geleistet wird, heisst es weiter in dem eingeschriebenen Brief. Mit schwerem Herzen und traurig über das Aus ihres Hobbys räumte Helen ihre «Boutique Helen», bis auf die Firmentafel, die ihr ein netter Nachbar kreierte.

Der Clou der Geschichte ist wohl, dass der verantwortliche Gemeinderat zur abgemachten Zeit nicht erschienen ist. Er schickte mittags um 13.15 Uhr ein E-Mail, dass er gesehen habe, dass das Lädeli verschwunden sei, so erübrige sich seine Anwesenheit. Hans und Helen Rubli waren entrüstet – geht man so mit Dorfbewohnern um? Erklärbar ist ein solches Vorgehen nur damit, dass sich der Behördenvertreter als Kontrolleur wohl vor dem «Fanclub» blamiert hätte.

Der Zufall will es, dass ähnliche Hofladen-Si­tua­tio­nen im neusten «Zürcher Bauer» thematisiert sind. Hans Rubli händigte die Zeitung dem Bauvorstand der Gemeindebehörde aus und berichtete den Gästen beim Abschieds­apéro, dass darin Folgendes zu lesen ist: In solchen Si­tua­tio­nen hätten die Behörden einen Ermessensspielraum, und was bereits so lange existiert habe, unterstehe dem Gewohnheitsrecht und müsse nicht entfernt werden.

Nachhaltige «Boutique Helen»
Viele Leute aus nah und fern schätzten die nachhaltige «Boutique Helen». Eine Frau hatte für ihre Gartenparty zu wenig Dessertlöffel – in Helens Selbstbedienungslädeli erhielt sie solche für 50 Rappen pro Stück. «Ich habe viele Fans, die ich nicht einmal kenne», erzählte Helen Rubli und zeigte eine Dankeskarte mit folgendem Text: «Ich danke Ihnen, dass Sie so lange durchgehalten haben. Für mich war es jedes Mal ein Erlebnis, wenn ich in Andelfingen einkaufen war, bei Ihnen zu stöbern, und meistens wurde ich fündig. Schade, dass wieder so etwas Spezielles verschwindet.»

Kein Verständnis für dieses Vorgehen der Gemeinde hatten wohl auch die 32 Personen, die das Protestschreiben «Trödlerstand von Helen Rubli» an die Gemeindebehörde unterzeichneten.

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite