Weinland

«Bleiben und kämpfen»

Jacqueline Straub will Priesterin werden. Dafür kämpft die Theologin gegen die starren herrschenden Strukturen und für den Stand der Frauen in der Katholischen Kirche.

von Jasmine Beetschen
14. Juli 2023

Der Priester, aber niemals die Priesterin. Diese Ungerechtigkeit stört Jacqueline Straub schon seit vielen Jahren, eigentlich schon seit ihrer Teenagerzeit. Die 33-Jährige hat Theologie studiert und möchte ins Priesteramt erhoben werden. Warum dies jedoch (noch) nicht möglich ist und mit welchen teils haarsträubenden Argumenten sie konfrontiert wird, davon erzählte sie am Dienstagabend in der katholischen Kirche in Feuerthalen.

Eine Frau könne keine Berufung zur Priesterin haben. Frauen seien aufgrund der Monatsblutung schmutzig, das ständige Tragen von High Heels lenke in der Kirche bloss ab, und sowieso würde das Priestergewand ständig mit Make-up-Spuren verschmutzt werden – denn Frauen trügen ja sowieso immer Make-up. «Das sind nur einige Sätze, die ich an den Kopf geworfen bekomme, seit ich öffentlich für meinen Berufswunsch einstehe», so Jacqueline Straub zu den knapp 70 Anwesenden. «Und die meisten Nachrichten kommen nicht einmal von älteren, sondern oft von jungen Menschen, auch von Frauen selbst.»

Diese Sprüche seien zwar äusserst fragwürdig, sie könne diese jedoch gut verkraften. Andere Aussagen verletzten sie mehr, vor allem die, welche ihr ihre Berufung abzusprechen versuchten. Als sie jünger war, war die Kirche für sie ein «fremder Ort und für alte Menschen». Doch mit der Zeit und nach verschiedenen inspirierenden Begegnungen sei in ihr ein Feuer für die Katholische Kirche entfacht. «In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst», ein Zitat des Bischofs Augustinus von Hippo, wurde fortan zu ihrem Lebensmotto.

Frauen in der Bibel präsent
Dieses Brennen treibt sie an in ihrem Kampf, den Weg zum Priesteramt für Frauen zu öffnen und allgemein die Rolle der Frau in der Katholischen Kirche endlich angemessen zu diskutieren. Um die Kirche aus ihrem komatösen Zustand herauszuholen, hält sie überall in der Schweiz Vorträge, arbeitet als Journalistin und hat mittlerweile schon mehrere Bücher zum Thema publiziert. 2018 wurde sie gar von der BBC als eine der 100 inspirierendsten und einflussreichsten Frauen der Welt gewählt. Bei ihrem Einsatz lässt sie sich auch von Professoren, Bischöfen oder gar von Rom nicht einschüchtern. «Ich bin keine naive Theologistudentin, wie viele zu Beginn dachten. Die Kirche weiss selber genau, dass etwas passieren muss, doch sie ist eine Meisterin im Vergessen und Verschweigen.»

So spreche biblisch gesehen eigentlich auch nichts dagegen, dass eine Frau ins Priesteramt zugelassen werden könne (Frauenordination). Das Dokument, in welchem dies gar zahlreiche Kirchenexperten gemeinsam bestätigt hatten, habe die Kirche jedoch verschwinden lassen.

Hingegen gelte seit der Veröffentlichung 1994 die Ordinatio sacerdotalis, ein Apostolisches Schreiben von Papst Johannes Paul II. Mit diesem wandte sich der Papst an die Bischöfe und erklärte, dass die Priesterweihe nur Männern vorbehalten sei. Drei Argumente gegen die Frauenordination würden dabei immer wieder genannt: Jesus war ein Mann, er wählte 12 Männer als Apostel, und die geltende Tradition. Diese Argumente seien aber leicht zu entkräften, findet Jacqueline Straub. «Zum Ersten wäre, im geschichtlichen Kontext gesehen, Jesus sofort gekreuzigt worden, wäre er als Frau aufgetreten. Und noch heute feiern wir die Menschwerdung, und nicht etwa die Mannwerdung.» Die zwölf Apostel stünden zudem für die zwölf israelischen Stämme, als Symbol für das Volk Israels. «Diese Symbolik wurde verwendet, um in der damaligen Sprachwelt zu reden, nur so konnten die Menschen aus dem Volk erreicht werden.» Und zum letzten Punkt: «Was ist schon Tradition? Etwas Fragiles, sie entwickelt sich stetig weiter und ist somit ebenfalls kein gültiges Argument», ist die Journalistin überzeugt. Immer wieder und schon seit jeher versuche die Katholische Kirche, Frauen aus der Geschichte auszuradieren.

Mit Mut zur Veränderung
Viele andere, die sich für Frauen in der Kirche einsetzen würden, hätten nur noch Wut und Hass übrig, liessen sich von den starren Strukturen entmutigen. «Wir müssen aufpassen, dass wir beim Kämpfen nicht verbittert werden. Denn wenn das Feuer erlischt, hat man nur noch Asche zu geben.»

Sie möchte das sinkende (Kirchen-)Schiff also noch nicht verlassen. Auch wenn viele der Meinung seien, dass das Konzept Kirche erst den Bach runtergehen müsse, bevor Platz für neue Gedanken und Regeln entstünde. Es brauche eine gewisse Dramatik, bis sich etwas verändere, das sehe sie ein. «Doch was bringen uns neue Reformen, wenn wir Frauen dann vor leeren Reihen stehen?», fragte sie die Runde.

Es müsse jetzt eine Veränderung stattfinden, nicht erst dann, wenn die Kirche am Ende sei. Es brauche neue Strukturen und den Mut von Bischöfen. «Dafür braucht es Menschen, die bleiben und laut sind, die sich für eine Veränderung von innen einsetzen.» Nur so könne etwas erreicht werden. Aus diesem Grund wechsle sie auch nicht einfach zur Evangelischen Kirche und werde dort Pfarrerin. «Mein Herz schlägt für die Katholische Kirche, hier bin ich zu Hause. Deshalb bleibe ich und kämpfe!» Sie möchte eine bunte Kirche, in welcher jede und jeder willkommen ist – «ganz egal, ob Mann oder Frau, queer, geschieden oder sonst etwas.» Das sei die Gemeinschaft, vor der sie stehen möchte und die sie als Priesterin empfangen möchte.

Ihr Traum? «Natürlich in baldiger Zukunft Priesterin zu werden», lachte sie. Die Hoffnung darauf gebe sie nicht auf. Und auch wenn sie es selbst nicht mehr erfahren dürfe, so wäre für sie das Schönste, spätestens auf dem Sterbebett die Nachricht überbracht zu bekommen, dass das Priesteramt nun auch für Frauen offen sei. «Ich würde weinen und lachen und in Frieden gehen können. Denn dann wüsste ich, dass ich mit meinem Beitrag, meinem Kieselstein, etwas beitragen konnte für eine offenere und buntere Kirche.»

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite