Weinland

Eine neue Heimat – ohne Eltern

Danyl Kulyk kam ohne seine Eltern aus der Ukraine hierher. Bei der Stiftung Chloster 3 fand er ein Zuhause. Nun würde der 16-Jährige gern eine Kochlehre beginnen.

von Christina Schaffner
05. März 2024

Bleiben oder wieder in die Ukraine zurückgehen? Diese Frage hat der 16-jährige Danyl Kulyk für sich noch nicht abschliessend beantwortet. «Ich fühle mich hier sehr wohl und habe gute Zukunftsperspektiven», sagt er. In der Ukraine sähe das anders aus, da durch den Krieg vieles zerstört sei.

Gekommen ist Danyl Kulyk zusammen mit neun Verwandten kurz nach Kriegsbeginn vor zwei Jahren. Seiner Mutter, die als Regierungsangestellte im Land bleiben muss, war es wichtig, dass er in Sicherheit ist. Auch sein Vater konnte ihn wegen der Ausreise­beschränkung nicht begleiten. Er muss, wie alle Männer im wehrpflichtigen Alter, im Land bleiben.

Mit Verwandten in die Schweiz
So reiste Danyl Kulyk zusammen mit einer Tante und einer Cousine aus Kiew, sowie weiteren Verwandten aus Charkiw, über Polen und Ungarn mit Bus und Zug in die Schweiz – direkt nach Berg am Irchel. Über Beziehungen wussten sie, dass sie bei der Stiftung Chloster 3 Aufnahme finden würden. Ralf Hahn, der dort wohnt und arbeitet, lebte selbst fast 20 Jahre in der Ukraine und spricht die Sprache. «Damals war unser Haus voll besetzt mit bis zu 20 Flüchtlingen», erinnert er sich. Inzwischen wohnt nur noch der Jugendliche dort – alle anderen zogen in umliegende Gemeinden oder gingen zurück.

Ralf Hahn nahm Danyl Kulyk offiziell unter seine Fittiche, als Tante und Cousine zurückgingen. Als Beistand ist er für ihn verantwortlich und somit auch Ansprechperson für die Lehrpersonen der Sekundarschule in Flaach, wo Danyl Kulyk derzeit die Abschlussklasse besucht. Der Einstieg in die hiesige Schule war am Anfang wegen der Sprache für den Jugendlichen nicht einfach. Zwar hatte der Teenager in seiner ukrainischen Schule rund zwei Jahre Deutschunterricht gehabt – auch Englisch, was er damals bereits fliessend konnte –, aber die Sprachbrocken reichten nicht, um dem deutschen Unterricht zu folgen. So wurde er zunächst in einer Klasse mit zehn ukrainischen Schülerinnen und Schülern unterrichtet. Inzwischen spricht Danyl Kulyk gut Deutsch und nimmt am normalen Unterricht teil.

Suche nach Lehrstelle als Koch
Noch einige Monate, dann braucht er im Sommer eine Anschlusslösung. «Am liebsten würde ich eine Kochlehre machen», sagt er. Zuhause, im Elternhaus, kochte er gern, und auch im Chloster 3 bereitet er sich Mahlzeiten oft selbst zu. In verschiedenen Restaurants konnte er bereits schnuppern, und auch Bewerbungen hat er einige geschrieben. «Für den Sommer waren die Lehrstellen leider bereits besetzt», erzählt er. Doch er gibt die Hoffnung nicht auf und sucht weiter. Falls es in diesem Sommer noch nicht klappen sollte, will er ein zehntes Schuljahr anhängen.

Natürlich hat Danyl Kulyk regelmäs­sig Kontakt zu seinen Eltern, die in Kiew leben. Er konnte sie in den zwei Jahren auch zweimal besuchen. Dabei erlebte er auch Raketenangriffe auf die Stadt. «Eine Rakete schlug etwa zwei Kilometer von unserem Haus entfernt ein», erzählt er. Aber Angst um seine Eltern habe er trotzdem nicht – die Wohnung liege in einer Gegend ohne wichtige Infrastruktur. Trotzdem werden Reisen und Besuche bei ihnen demnächst schwieriger: Derzeit dürfen männliche Jugendliche ab 17 Jahren das Land nicht mehr verlassen – etwas, das sich auch kurzfristig ändern kann. Ganz zurückgehen, wie sein Freund, will er aber nicht.

Einen anderen Freund traf er in der Ukraine, als er am Unterricht seiner alten Schule teilnahm. «Ich habe zu den Lehrern immer noch Kontakt und mache auch regelmässig dort Hausaufgaben», erzählt er. Das sei wichtig, damit sie ihm Noten geben könnten. «Die Aufgaben sind aber schwieriger als hier», fügt er an, «ich komme nicht mehr überall mit.» Aber trotzdem erhält er so am Ende des Schuljahrs auch in der Ukraine ein Zeugnis.

Wegen der Sprachprobleme wurde Danyl Kulyk in Flaach in die B-Klasse eingeteilt. In der Ukraine gebe es eine solche Unterteilung nach Leistungsstufen nicht: FĂĽr alle SchĂĽlerinnen und SchĂĽler gebe es nur eine Schulform.

Auch wenn Danyl Kulyk in der Ukraine ein Zeugnis erhält – wichtiger wird für ihn sein Leben in der Schweiz. Mit jedem Tag fasst er hier mehr Fuss. Im Haus hat er viele Kontakte zu den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern, die auch für ihn da sind, wenn er Probleme hat. Zudem will er demnächst einem Tischtennisverein beitreten.

Und in zwei Wochen macht er den Angelschein, um im Zürichsee oder im Rhein Fische fangen zu dürfen – wie in seiner Heimat. Mit seinem Vater angelte er oft am Wochenende auf dem Dnepr. «Einmal fingen wir riesige Aspen, mit denen wir die ganz Familie versorgten.» So ein grosser Fang gelang ihm hier zwar noch nicht, aber er hat immer wieder Fische am Haken. «Manche brate ich mir, aber manchmal lasse ich sie auch gleich wieder frei.»

Wer Danyl Kulyk eine Lehrstelle als Koch anbieten kann, darf sich gerne bei Ralf Hahn melden: Telefon 079 561 99 49, Mail: ralf.hahn@gmx.net.

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