Weinland

Von Tieren im Winter lernen

Immer mehr Schulen nutzen die Unterrichtsangebote im Naturzentrum Thurauen. Hochsaison ist klar im Sommer. Die Kinder begeistern sich aber auch für die Themen und Erlebnisse in den anderen Jahreszeiten.

von Silvia Müller
15. Dezember 2023

Aus zwei Kleinbussen der Primarschule Andelfingen klettern 22 gut eingepackte Mädchen und Buben. Rundum Matsch und Nieselregen. Eins ist jetzt schon klar: Am Ende des Morgens werden 22 Outfits reif für die Waschmaschine sein, von den Schuhen gar nicht zu reden. Doch der zweiten Klasse von Lehrerin Nicole Mannhart macht das keine Sorgen. Sie ist dieses Jahr schon zum zweiten Mal zu Besuch im Naturzentrum Thurauen. Heute ist das Wetter sogar hervorragend: Die Kinder wollen nämlich erfahren, wie die Tiere die kalte Jahreszeit überleben.

Zu diesem Zweck haben Sonja Falkner und Raphael Zimmer auf dem Gelände der Steubis­allmend Aufgaben vorbereitet. Die stellvertretende Leiterin des Naturzentrums und der Zivi sind Umweltpädagogen. Zum Aufwärmen schicken sie die Kinder auf die Winterstrategien-Stafette. Alle rennen einzeln ans andere Ende der Wiese und bringen ein regensicher foliertes Foto eines Tieres zur eigenen Gruppe zurück.

Die Kinder diskutieren über jedes Foto­: Machen Schlangen Winterruhe, Winterschlaf oder Winterstarre? Machen Schmetterlinge eine Winterflucht in warme Länder? Halten Dachse eigentlich Winterschlaf, oder sind sie winteraktiv? «Ich staune immer wieder, wie viel Wissen die Kinder schon mitbringen», kommentiert die Lehrerin Nicole Mannhart leise die Szenen. «Unterdessen bin ich überzeugt, dass sie an solchen Halbtagen in der Natur mindestens gleich viel zum Thema lernen wie in vier Lektionen im Schulhaus.»

Winterstrategien, Biberexkursionen, Auenlandschaft, Amphibien und Gewässerschutz – die Schulangebote zu diesen und weiteren Themen können einzeln gebucht werden (und in altersgerechter Form auch von schulentlassenen Privatpersonen). Das Naturzentrum bietet Führungen, Work­shops und sogar Projektlager an.

Aboschulen als regelmässige Nutzer
Die Primarschule Andelfingen ist allerdings eine von bisher sechs Vertragsschulen: Sie bezahlt eine Pauschale, und im Gegenzug können die Lehrpersonen das pädagogische Angebot so oft nutzen, wie sie möchten. Die Schule schreibt einzig mindestens einen Besuch pro Schulstufe vor.

Nicole Mannhart nutzt das Angebot öfter. «Die Workshops sind pädagogisch gut gemacht, altersgerecht und kurzweilig, und sie binden die Kinder aktiv ein.» Ihre Klasse freue sich jeweils auf die Abwechslung zum Schulalltag. «Bei dieser Stafette zum Beispiel können sie sich bewegen und austoben, und gleichzeitig bringen sie sich gegenseitig alles bei, was sie schon wissen.»

Und wo die Kinder ein Kärtchen am falschen Ort hingelegt haben, klärt Raphael Zimmer den Irrtum nachher auf: «Viele unserer Schmetterlinge sterben vor dem Winter, bloss ihre Raupen, Puppen oder an guten Stellen abgelegten Eier überstehen den Frost. Diese hier, die Zitronenfalter, machen es aber anders: Sie haben im Körper eine Art Frostschutzflüssigkeit.»

Mit den Fingern im Schaffell wühlen
Und wie halten sich denn all die Tiere ohne Frostschutz in den Adern warm? Das müssen die Kinder selber ausprobieren. In Zweiergruppen bekommen sie ein Filmdöschen mit heissem Wasser und den Auftrag, es mit Schafwolle oder anderen Materialien einzupacken und dafür ein geschütztes Örtchen in der Natur zu finden, um es vor dem Abkühlen zu bewahren. Nach der Znünipause im warmen Empfangszentrum werden die Döschen ausgepackt, die Wassertemperatur gemessen und die Lehren daraus gezogen. Dann reicht die Zeit noch für eine Spurensuche und vielleicht ein «Winterstarre-Fangis».

Das Programm stellen Sonja Falkner und ihr Team je nach Wetter und Vorkenntnissen zusammen. «Jede Jahreszeit bietet eine Fülle von Themen, und Aufenthalte in der Natur entsprechen immer einem Bedürfnis. Deshalb haben wir bewusst schulische Angebote für das ganze Jahr geschaffen», sagt sie.

50 Franken pro Klasse
Der Ausbau sei mit Umweltbildungsexperten und in Abstimmung auf den Lehrplan 21 geschehen. Gleichzeitig senkte die Paneco, welche das Naturzentrum betreibt, den Preis von 250 auf heute 50 Franken pro Klasse und Besuch. Seither sei die Nachfrage nochmals gestiegen, sagt Sonja Falkner: «Dieses Jahr haben 123 Schulangebote stattgefunden. Weil die Schulferienwochen wegfallen und die Wintermonate viel ruhiger sind, leiten wir im Sommer also manchmal bis zu siebzehn Führungen wöchentlich.» Das Team sei aber glücklich über die Entwicklung. «Für uns ist es das Wichtigste, möglichst viele Kinder für die Natur zu sensibilisieren und ihr Verständnis für die Zusammenhänge zu fördern.» Die Zusammenarbeit mit den Schulen sei da entscheidend: «Und diese tragen ja auch noch die Kosten für die Anfahrt.»

Und für die Heimfahrt … um viertel nach elf steigen die nicht mehr ganz so sauberen Kinder fröhlich in die Busse. Auch Sonja Falkner und Raphael Zimmer machen sich ans «Debriefing»: «Nach solchem Wetter reinigen wir eine Stunde lang all die Unterrichtsmaterialien», sagt sie und lacht.

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