Weinland

Die Gemeinde als Hobby

Nächstes Jahr wählen alle Zürcher Gemeinden ihre Behörden neu. Was es wirklich bedeutet, ein solches Amt innezuhaben, und was passiert, wenn nicht genügend Freiwillige gefunden werden, sagt Walter Schürch, Gemeindepräsident von Volken.

von Bettina Schmid
29. Oktober 2021

Sie hängen überall in den Gemeinden des Zürcher Weinlands: die Plakate mit der lächelnden Frau, dem lächelnden Mann, beide Daumen nach oben gestreckt und dazu der Slogan «Deine Gemeinde braucht dich». Die dazugehörige Kampagnenwebsite verspricht viel: Ihre Behördentätigkeit erweitert Ihr Netzwerk, führt Sie mit Menschen zusammen, ist ein wertvoller Baustein Ihres Lebenslaufs, bietet Einblicke in die Gesetzgebung, kann das Sprungbrett für eine Politkarriere sein, ist nebenamtlich und wird entschädigt.

Hinter der Kampagne steckt der Verband der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich, der damit die Bevölkerung für eine Milizarbeit gewinnen will (siehe Kasten). Denn genügend Kandidatinnen und Kandidaten für die verschiedenen Ämter zu finden, wird trotz der oben genannten Vorteile immer schwieriger. «Häufig sind die Leute schon durch ihren Beruf stark gefordert und trauen sich deshalb ein solches Engagement aus Zeitgründen nicht zu», so Walter Schürch.

Neue Kontakte und Einblicke
Der Gemeindepräsident von Volken weiss, wovon er spricht, übt er diese Funktion doch seit bald vier Jahren im Nebenamt aus und ist sonst voll berufstätig – mit einem 100-Prozent-Pensum. Die rund 30 Prozent für sein Gemeindepräsidentenamt macht er, wie im Milizsystem üblich, nebenbei. «Meistens am Abend oder am Wochenende.» Dazu gehören nebst repräsentativen Aufgaben vor allem die Sitzungsführungen sowie das Aktenstudium. Er habe aber auch das Glück, dass sein Arbeitgeber Verständnis für diese Tätigkeit habe. «Ich bekomme keinen Ärger, wenn ich mal während der Arbeitszeit für eine Besprechung für die Gemeinde weggehen muss.»

Ganz so viel Zeit, wie Walter Schürch mit seinen wöchentlich zwölf Stunden für seine Wohngemeinde Volken aufbringt, müssen nicht alle investieren, die ein Behördenamt innehaben. Dies hänge sehr davon ab, für welches Ressort man zuständig sei. Der Präsident habe natürlich etwas mehr Aufgaben. Man müsse aber auch sehen, dass gerade dieses Amt sehr viele Vorteile mit sich bringe. «Man erhält noch mehr Einblicke, kann noch mehr Kontakte knüpfen.» Alles Punkte, welche dazu beitrügen, dass der Job Freude bereite.

Und dies mache er definitiv, sagt er. Zwar sei die zeitliche Belastung teilweise schon hoch, gerade, wenn viele Termine anstünden. Die Zeit für andere aufwendige Freizeitbeschäftigungen falle weg. «Für mich ist die Gemeinde mein Hobby.» Dafür lerne er viele Leute kennen und erhalte Einblicke in Dinge, die er sonst nie bekommen hätte. «Ich weiss nun, was es im Hintergrund braucht, damit warmes und sauberes Wasser bei mir zu Hause aus dem Wasserhahn kommt», so der 59-Jährige.

Man müsse bei Amtsantritt auch nicht bereits in allen künftigen Aufgaben sattelfest sein, sondern werde von der Gemeindeschreiberin oder dem Gemeindeschreiber und von Mitarbeitenden der Gemeindekanzlei fundiert eingearbeitet und fachlich unterstützt. Gerade für jüngere Personen könne ein Amt deshalb ideale Möglichkeiten in der beruflichen Karriere bieten, gelte es doch, Herausforderungen im Konsens zu lösen oder die Auftrittskompetenz zu stärken.

Zum Amt gezwungen
Walter Schürch bestätigt die vom Gemeindepräsidentenverband genannten Vorteile einer Behördentätigkeit also, und doch ist es auch in Volken so, dass in der Vergangenheit nicht immer genügend Leute für alle Ämter gefunden werden konnten. So etwa bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2018. Zwei der jetzigen Gemeinderäte kamen nicht freiwillig zu «Amt und Würden». Dies bedeutet: Beide haben nicht für das Amt kandidiert, wurden aber dennoch gewählt, da sie von Mitbürgern auf den Wahlzettel geschrieben worden waren und dann die meisten Stimmen erhielten – in kleinen Gemeinden reichen dafür manchmal vier oder fünf.

Der Hintergrund: Zürich kennt, wie andere Kantone auch, den sogenannten Amtszwang. Normale Bürgerinnen und Bürger müssen gegen ihren Willen ein Amt übernehmen, sofern sich nicht genügend Freiwillige dafür finden.

Wird man gewählt, braucht es sehr gute Gründe, um das Amt verweigern zu können. Dazu gehören etwa gesundheitliche Probleme, durch die eine Person offensichtlich nicht in der Lage wäre, das Amt auszuüben, oder älter als 60 Jahre zu sein. «Einfach nur zu wenig Zeit oder eine Familie zu haben, reicht nicht», bestätigt auch Walter Schürch. Normalerweise müsse es eine Kombination von verschiedenen Aspekten sein. Auch wenn man bereits zwei Amtsperioden, also acht Jahre, im selben Amt verbracht habe, müsse man nicht nochmals antreten. Ansonsten bestünden nur zwei Varianten: die Wahl anzunehmen oder aber wegzuziehen.

Er hoffe jedoch sehr, dass dies bei den nächsten Kommunalwahlen am 27. März 2022 nicht notwendig sein werde und niemand gegen seinen Willen bestimmt werden müsse. In Volken zumindest treten alle Bisherigen nochmals zur Wahl an. Und auch für alle anderen Gemeinden wünsche er sich, dass sich genügend Personen für die Ämter finden. «Ich kann eine Behördentätigkeit allen, die neugierig und pragmatisch sind und sich gerne einbringen, nur ans Herz legen – traut euch.» Oder wie es auf den Plakaten steht: «Deine Gemeinde braucht dich.»

Das Banner von «Deine Gemeinde braucht dich» am Beispiel von Volken.
Das Banner von «Deine Gemeinde braucht dich» am Beispiel von Volken. / GPVZH

Die Kampagne «Deine Gemeinde braucht dich»

«Deine Gemeinde braucht dich» ist eine Kampagne des Verbandes der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich (GPVZH). Ziel ist es, die Bevölkerung im Hinblick auf die Kommunalwahlen vom 27. März 2022 für eine Behördentätigkeit zu motivieren und aufzuzeigen, was es für eine Kandidatur braucht.

Zurzeit läuft die Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten. Unter der Rubrik «Gemeinden/Städte» können Interessierte auf der Website nachlesen, welche Behördenämter es in ihrer Gemeinde gibt, wer weitere Informationen über Ortsparteien, Aufgaben, Funktionen und den Bewerbungsprozess liefern kann und wie hoch der Aufwand und die Entschädigung für ein Amt sind. (bsc)

www.deine-gemeinde-braucht-dich.ch

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