Weinland

Hallo, wollen wir Freunde sein?

Freundschaften zu haben, ist untrennbar mit einer glücklichen Kindheit verknüpft. Wie Kinder Freunde finden und Eltern sie darin unterstützen können, erklärte Psychologin und Lerncoach Rita-Lena Klein an einem Vortrag.

von Bettina Schmid
27. Oktober 2023

Die Wissenschaft ist sich einig: Wer Freunde hat, lebt länger, ist glücklicher, selbstsicherer, erfolgreicher, hat ein besseres Immunsystem sowie weniger Depressionen und verfügt über bessere soziale Kompetenzen. Bereits bei Kindern zeigen sich diese Vorteile, wenn tragende Freundschaften vorhanden sind.

So weit, so gut, doch was ist, wenn das eigene Kind Mühe hat, Freunde zu finden? Gründe dafür gibt es viele, wie Rita-Lena Klein, Psychologin und Lerncoach, weiss. Sie hielt am Dienstagabend in der Aula der Sekundarschule Stammheim für die Elternmitwirkung einen Vortrag über dieses Thema.

Gemeinsame Zeit verbindet
Grundsätzlich gilt: Nur wenn das Kind unter wenigen Verabredungen oder Freundschaften leidet, sollte man reagieren. «Es gibt auch Kinder, die je nach Charakter gerne für sich und zufrieden sind, wenn sie nur einmal pro Woche abmachen.» Benötige das Kind jedoch viele Leute um sich, um sein Bedürfnis nach sozialen Kontakten zu stillen, lohne es sich, zu schauen, weshalb und wo es Mühe habe.

Vermutet man den Grund im Umfeld, kann man sich überlegen, wie man dieses freundschaftstauglicher gestalten kann. Etwa, indem man für mehr freie und weniger verplante Zeit durch Hobbys und Termine sorgt, damit genügend Raum für Verabredungen bleibt. Oder indem man sich fragt, ob man die Freunde des eigenen Kindes überhaupt zu Hause willkommen heisst und es sie einladen darf. «Wenn man sich regelmässig sieht, fällt es leichter, Freundschaften zu schliessen.» Erlebnisse verbinden. Und: Ein paar Gemeinsamkeiten zu haben, sei hilfreich. Nichtsdestotrotz würden sich Kinder häufig Freunde suchen, an denen sie ihr Selbst erweitern und etwas von ihnen lernen könnten. «So ist das laute Kind dann manchmal mit einem schüchternen, ruhigen befreundet und umgekehrt.»

Prosoziales Verhalten vermitteln
Liegt der Grund für fehlende Freundschaften beim Verhalten des Kindes, kann man es dort unterstützen, wo es noch Mühe hat, und es im prosozialen Verhalten coachen. Das heisst etwa, andere zu grüssen, andere einzuladen, mitzuspielen, seine Hilfe anzubieten, anderen Kindern zum Sieg zu gratulieren oder sie beim Sprechen nicht zu unterbrechen. Insbesondere schüchternen Kindern fallen diese Dinge häufig schwer.

«Überlegen Sie sich: Kommt das Kind überhaupt in Kontakt mit anderen? Traut es sich, die anderen anzusprechen und zu fragen, ob es mitspielen darf?», so Rita-Lena Klein. Falls nicht, könne man sich gemeinsam Alternativen überlegen. So kann es vielleicht ein spannendes Spielzeug wie ein Walkie-Talkie mitnehmen, man kann dem Kind etwas zum Knabbern und Teilen mitgeben oder es um Hilfe bitten lassen. «Zeigst du mir, wie das geht?»

Ist das Kind zu impulsiv und eckt immer wieder an oder hat es eine geringe Selbstkontrolle, sollte man die Regeln und Grenzen erklären und aufzeigen. «Die Kinder meinen es nicht böse, wenn sie etwa einen Spruch immer wieder sagen, obwohl es das Gegenüber nervt, oder sie beim spielerischen Rangeln zu wild sind. Sie merken es schlichtweg nicht.» Hier könne man mit dem Kind in Rollenspielen oder mit Handpuppen üben, auf Signale und Zeichen zu achten, auch auf nonverbale, und sich im richtigen Moment zurückzunehmen. Mit Sätzen wie «Jetzt bin ich aber schon ewig am Reden – was denkst du?» oder «Okay, genug davon» nimmt sich ein Kind gut aus der Situation, ohne das Gesicht zu verlieren.

Abhängig vom Alter
Rita-Lena Klein empfiehlt, Verabredungen umso mehr zu strukturieren und zeitlich zu begrenzen, je mehr soziale Schwierigkeiten das Kind hat. «Geben Sie Rückmeldungen, bestärken Sie prosoziales Verhalten, besprechen Sie wiederkehrende, brenzlige Situationen vor und vermitteln Sie Wissen.» Die Kinder seien auf Erwachsene angewiesen, die für gute Lernerfahrungen und Erfolge im sozialen Leben sorgten.

Man solle sich jedoch auch bewusst sein, dass nicht alle Altersstufen dasselbe Verständnis von Freundschaft hätten. So spielen unter Dreijährige zum Beispiel fast ausschliesslich neben- anstatt miteinander. Echte Freundschaften schliessen sie erst etwa ab dem Kindergartenalter, wenn auch Rollenspiele wichtig werden. Hier gilt jedoch noch die «Schön-Wetter-Kooperation», die bis etwa zehn Jahre anhält. Man ist so lange befreundet, wie man gut miteinander auskommt. Dann fällt schon mal der Satz: «Du bist nicht mehr mein Freund.»

Dies könne auch täglich mehrmals ändern und sei eine völlig normale Entwicklung. «Das Kind deshalb zu tadeln, bringt nichts.» Auch das Konkurrenzdenken ab der Grundschule sei normal. Je älter die Kinder seien, desto fester würden die Freundschaften, bis sie dann im Jugendalter vorübergehend als fast wichtiger als die eigene Familie eingestuft würden.

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