Weinland

Töten sieben Hornissen wirklich ein Pferd?

Viele fürchten sie aufgrund ihrer schieren Grösse: die Hornissen. Doch ihr Ruf täuscht: Es sind nützliche und friedliebende Tiere – sofern man einige Regeln einhält. Welche das sind und was man bei einem Nest tun sollte, sagen zwei Hornissenkenner.

von Bettina Schmid
30. Juni 2023

Als vor drei Wochen die erste tote Hornisse draussen am Boden neben der Haustüre lag und nur wenig später am selben Ort eine zweite, wussten wir noch nicht, dass sich über unseren Köpfen ein wahrer Krimi abspielte. Wir schoben es auf das angrenzende Biotop, an dem wir immer wieder welche trinken sahen. Eine ungünstige Flugbahn würde es sein, vermuteten wir, oder schlichtweg ein Zufall.

Nach Nummer drei, vier und fünf innert weniger Tage – sie lagen immer benommen auf derselben Steinplatte und starben dann – und intensivem Beobachten war klar: Sie flogen hinauf zu unserem Holzdach und verschwanden durch einen Spalt in der Isolationsschicht.

Tödliche Übernahmeversuche
Ich war schockiert. Hornissen bauen ihr Nest in unserem Dach? Hektisch googelte ich «Kammerjäger». Denn als Allergikerin und Mutter von zwei Kindern war mein erster Impuls: Sie müssen weg. Horrorgeschichten von angreifenden Hornissen kamen mir in den Sinn, und eine Nachbarin ergänzte, sie habe gehört, sieben Hornissen könnten ein Pferd töten. Doch vielleicht würde sich unser Problem ja von selbst lösen. Denn immer noch fand ich regelmässig tote Exemplare am Boden. Haben sie zu heiss im Dach?

Sicherheitshalber telefonierte ich am nächsten Tag mit einem Fachmann. Imker David Hablützel aus Schlatt, der seit neun Jahren auch Nestumsiedlungen von Hornissen durchführt, zerstörte meine Hoffnungen, als er die Fotos der toten Hornissen sah. «Das sind fünf Königinnen und vier Arbeiterinnen», sagte er. Die Königinnen würden zurzeit ihre Nester aufbauen (siehe Kasten). Und es gebe zu diesem Zeitpunkt immer nur eine Königin pro Nest. Das, was ich hier miterlebe, seien Übernahmeversuche und entsprechend anschliessend die Opfer der Kämpfe. Ich stutzte – und staunte. Mindestens acht Königinnen mit einer Grösse von 3,5 Zentimetern und einige etwas kleinere Arbeiterinnen hatte ich bereits zusammengelesen. Ein richtiger Krimi also, der sich da in den letzten Tagen über unseren Köpfen abgespielt hatte.

Eine von hundert überlebt
Doch weshalb nimmt die grösste Wespenart Europas offenbar lieber den Tod in Kauf und greift ein bestehendes Volk an, als selbst ein Nest zu bauen? Und das in einer hohen Zahl?

Es sei eine natürliche Selektion, sagt Andi Roost, der die Plattform hornissenschutz.ch betreibt, Betroffene berät und Umsiedlungen macht. «Dabei überlebt jeweils die Stärkere.» In diesem Jahr komme dazu, dass aufgrund des nassen und kalten Wetters im Frühjahr einige Hornissenköniginnen spät dran seien. Die frühen hätten entsprechend bereits ein kleines Nest mit einigen Arbeiterinnen aufgebaut, andere würden noch nach Nistplätzen suchen. «Das verleitet viele dazu, eine erfolgreiche Neugründung zu übernehmen, da ansonsten schlicht die Zeit nicht mehr reicht.»

Mit Untermieterinnen auskommen
In der Regel würden rund 95 Prozent der Hornissenköniginnen, die überwintert haben, im Frühjahr die Anfangsphase nicht überleben und kein Volk gründen können. Man solle deshalb diejenigen, die es schaffen, wo immer möglich leben und einfach fliegen lassen. «Sie haben schon genug Stress.» Entgegen ihrem weitverbreiteten Ruf seien sie sehr friedliebende und nützliche Tiere, die viele Insekten, auch Schädlinge, jagen. Da sie sich im Gegensatz zur Gemeinen und Deutschen Wespe nicht für das Essen der Menschen interessieren würden, seien Konflikte mit ihnen weit weniger häufig.

«Sofern nicht direkt ihr Nest angegriffen wird, verteidigen sie sich nicht, sondern fliegen lieber davon», so Andi Roost. Man sollte jedoch nicht vor ihnen herumfuchteln oder sie gar anpusten. Das CO2 im Atem ist ein Alarmzeichen und verleitet sie dann eventuell doch zum Stechen. Ein Stich von ihnen ist übrigens nicht schlimmer als ein Wespen- und weniger giftig als ein Bienenstich. Am Mythos, dass sieben Hornissen ein Pferd töten, ist also nichts dran.

Andi Roost rät allen, die ihn momentan kontaktieren, zuerst einmal abzuwarten und zu schauen, ob das Nest sie überhaupt tangiere. Sobald die Königin Arbeiterinnen habe und nicht mehr selbst ausfliegen müsse, empfiehlt er, diejenigen, die sich in Storen- oder Rollladenkästen befinden, von einem Fachmann umsiedeln zu lassen. Und im Winter, nachdem das Volk abgestorben und das Nest leer sei, solle man den Zugang verschliessen. Denn anders als Honigbienen, die im Nest überwintern, erlischt im Herbst das Leben im Wespenstaat vollständig.

Ausgerüstet mit diesem neuen Wissen folgen wir nun seinem Rat und warten erst mal ab. Eine Umsiedlung ist bei uns nicht möglich, und da ich inzwischen fasziniert bin von diesen Tieren mit ihrer starken Königin, die so mutig ihr Nest verteidigt, möchte ich sie nur ungern töten lassen. Schliesslich begleitet mich ihr lautes Brummen und das Knabbern an unserem Holzsichtschutz schon seit vier Wochen. Nun weiss ich auch, weshalb sie das tun: Es ist Baumaterial für ihr Nest.

Der Lebenszyklus

Hornissen nisten in Hohlräumen wie etwa Baumhöhlen. Ein voll ausgebautes Hornissennest ist etwa 60 Zentimeter lang und hat einen Durchmesser von ungefähr 30 Zentimetern. Im Hochsommer beträgt die Volksstärke 400 bis 700 Tiere. Die Königin, welche etwa 3,5 Zentimeter gross ist, lebt etwa ein Jahr, eine Arbeiterin lebt zwischen drei und vier Wochen. Im Frühjahr gründet die einzelne Hornissenkönigin ein neues Nest. Sie baut die erste Wabe, legt Eier und wärmt und füttert die Brut, bis die ersten Arbeiterinnen schlüpfen. Ab dann fliegt die Königin nicht mehr zur Futtersuche aus, sondern bleibt im Nest und legt Eier. Das Volk wächst zur endgültigen Stärke, bis im Spätsommer die Jungköniginnen und Drohnen schlüpfen und zum Hochzeitsflug ausfliegen. In dieser Zeit wird bereits die Pflege der Brut und der Altkönigin vernachlässigt. Das ganze Augenmerk des Volkes gilt der Versorgung der Geschlechtstiere. Die begatteten Jungköniginnen sind die einzigen, die den kommenden Winter überleben. Sie nehmen genügend Nahrung auf, um an einem geschützten Platz außerhalb des Nestes zu überwintern. Das Leben im Nest stirbt spätestens im November vollkommen ab. (bsc)

Bei der Asiatischen Hornisse dominiert die schwarze Grundfärbung. Zudem ist die Kopfvorderseite orange statt gelb.
Bei der Asiatischen Hornisse dominiert die schwarze Grundfärbung. Zudem ist die Kopfvorderseite orange statt gelb. / www.umsiedlungen.ch, Imkerei Hablützel, W. Korazija

Die Asiatische Hornisse

In den letzten Tagen häuften sich Medienberichte zur Asiatischen Hornisse, welche inzwischen auch in einigen Teilen der Schweiz vorkommt, insbesondere im Jura und in Genf. In unserer Region wurde sie bis jetzt noch nicht gesichtet. Wie der Name es vermuten lässt, kommt sie aus Asien. Der Hauptunterschied zur einheimischen Hornisse liegt in der Farbe. Während die Kopfvorderseite der einheimischen Hornisse gelb ist, ist diejenige der Asiatischen Hornisse orange. Ausserdem dominiert bei ihr die schwarze Grundfärbung, bei der Einheimischen die gelbe. Zudem ist sie etwas kleiner als die einheimische Hornisse.

Für den Menschen ist die Asiatische Hornisse nicht gefährlicher als die einheimische. Sie frisst Insekten und hat sich auf Bienen spezialisiert. Auf ihrer Jagd kann es vorkommen, dass sie vor einem Bienenstock auf ihre Beute wartet. Auch einheimische Hornissen fressen Bienen, wenn sich ihnen die Gelegenheit bietet. Die Hauptgefahr besteht darin, dass sie zu einem invasiven Neozoon wird, die einheimische Hornisse verdrängt und lokal Schäden anrichtet. Bislang besteht kein Grund zur Beunruhigung. Trotzdem sollten mögliche Sichtungen einer Asiatischen Hornisse inklusive Fotografie dem Bienengesundheitsdienst BGD zur Identifikation gemeldet werden: info@apiservice.ch

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