Weinland

Teilen statt kaufen, wo es sinnvoll ist

Schneeschuhe, Sterilisierhafen, Heckenschere, Bretzeleisen … man braucht sie höchstens ein, zwei Mal im Jahr. Wie so vieles. Deshalb haben sich die ersten Stammer Haushalte zu einer Ausleihplattform vernetzt.

von Silvia Müller
14. Januar 2020

Erna Straub ist zufrieden. Im Frühling 2019 platzierte sie im Mitteilungsblatt den Aufruf: «StammShare: Bist du dabei beim Teilen (engl. share)?» Knapp ein Jahr später sind auf ihrer Liste ein gutes Dutzend Haushalte aus dem Tal vertreten. Diese bieten sich gegenseitig Geräte und Dinge zum Ausleihen an, die die meiste Zeit des Jahres ungenutzt herumstehen. Erna Straub selbst stellt unter anderem den Veloanhänger, die Overlockmaschine und Schneeschuhe zur Verfügung.

Schon diese kleine Anzahl Haushalte reichte aus, um ein erstaunlich vielfältiges Angebot zusammenzutragen: Vom PW-Anhänger über den Betty-Bossy-Täschler, vom Dörrex über das Babyreisebett bis zum Geschirr und zur 50-Liter-Pfanne für Familienfeste – auf der Liste ist bereits jetzt fast alles zu finden, was man in Haus, Garten und Werkstatt zwischendurch mal gut gebrauchen könnte.

Ausprobieren ohne Gewissensbisse
Und die Initiantin hofft, dass sich der Kreis noch vergrös­sern wird, wenn das Angebot sich herumspricht. «Mit fast jedem Haushalt kommen nämlich spezielle Dinge hinzu, beispielsweise aus Hobbys. So kann man auch einfach etwas Neues ausprobieren, ohne gleich unnötige Anschaffungen machen zu müssen», sagt sie. Sie werde sich vielleicht mal die elektrische Pastamaschine ins Haus holen und zum ersten Mal selbst Teigwaren machen. «Wenn das dann wirklich so toll ist, wie ich es mir vorstelle, könnte ich mir ja eine eigene anschaffen. Und sonst hat sich die Sache geklärt, ohne das Portemonnaie und die Umwelt unnötig zu belasten.»

Ganz besonders können junge Familien profitieren, die vieles für den Nachwuchs nur während weniger Jahre brauchen. Und Senioren, die ihren Haushalt verkleinert und nicht mehr endlos Stauraum haben.

Startaufwand gering
Die Idee, dank einer lokalen Tauschbörse Ressourcen zu schonen und vielen Leuten zu ermöglichen, Geld und Platz zu sparen, habe sie schon vor Jahren gehabt, sagt Erna Straub – sie sei ja schliesslich eine Grüne. Ein bisschen bedauere sie es nun fast, so lange zugewartet zu haben. Denn die Reaktionen der Nutzer seien sehr gut. Bis jetzt sei ihr nichts Negatives zu Ohren gekommen, etwa dass Regeln nicht eingehalten oder etwas beschädigt worden sei. «Im Gegenteil, ich höre immer wieder von interessanten Begegnungen zwischen Menschen, die sich vorher nicht einmal kannten.»

Zudem sei ihr Aufwand dank Mail und Telefon kleiner geblieben als befürchtet. Zu Beginn hat Erna Straub eine Excel-Liste mit allen Adressen und Gegenständen erstellt. Seither hält sie die Teilnehmenden bei Veränderungen einfach via Mail auf dem Laufenden. Mit dem Verleihen an sich hat sie keine Arbeit, das regeln die Beteiligten direkt. Und wenn sie in Zukunft irgendwann die Verwaltung abgeben will, übergibt sie einfach die Excel-Datei.

Drei Regeln reichen
Am meisten Kopfzerbrechen bereitete Erna Straub die Frage: Wie viel soll, wie viel kann man regeln? Drei einleuchtende Regeln sind es geworden, und sie haben sich bewährt: Wer mitmacht, verpflichtet sich, die eigene Mailadresse herauszugeben und die der anderen nur für diesen Zweck zu verwenden (wer kein Mail hat, kann sich vertreten lassen). Die Gegenstände müssen dem Eigentümer in der abgesprochenen Frist, spätestens aber nach vier Wochen, zurückgebracht werden. Für neue Schäden haftet der Leihnehmer.

Weil der Austausch gut klappt, wird die Mailfunktion inzwischen auch rege genutzt, wenn jemand etwas sucht, das (noch) nicht auf der Liste steht. «Das Stammertal hat eben eine gute Grös­se für so ein Projekt. Und in diesem Konzept hat viel Platz», meint Erna Straub überzeugt. Vielleicht irgendwann sogar ein Auto? «Mit Fairness, Offenheit und Kommunikation ist vieles möglich.»

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